Der Streit über eine allgemeine Corona-Impfpflicht in Deutschland sorgt auch für Spannungen innerhalb der regierenden Dreier-Koalition.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese kritisierte Justizminister Marco Buschmann von der FDP, nachdem dieser sich skeptisch zu dem Vorhaben geäußert hatte. "Rechtlich sauber zu Ende gedacht" seien Buschmanns Aussagen nicht, sagte Wiese den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag).
Zudem müsse "dem Kollegen Buschmann" klar sein: "Nur wer jetzt die Impfquote für den kommenden Herbst/Winter erhöht, wird auch dann weiterhin eine Öffnungsperspektive haben." Der Justizminister hatte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit Blick auf eine allgemeine Impfpflicht gesagt: "In meinen Augen können nur gewichtige Rechtsgüter der Allgemeinheit wie die Abwehr einer Überlastung des öffentlichen Gesundheitssystems einen solchen Eingriff rechtfertigen. Ob das derzeit tatsächlich noch eine drohende Gefahr ist, daran kann man zweifeln." Aber selbst wenn man diese unterstelle, ergebe sich die Frage: "Brauchen wir dafür eine Pflicht ab 18? Wäre eine Impfpflicht ab 50 Jahren nicht genauso effektiv?"
Wiese gehört zu den Initiatoren eines Antrags für eine Impfpflicht für Erwachsene, die auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) anstrebt. "Unser Gesetzentwurf einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren ist verfassungsgemäß", betonte der Fraktionsvize. "Dies haben wir in einer Vielzahl von Expertengesprächen, sowie im Gespräch mit den Ministerien abgeprüft. Daher sollte sich Justizminister Buschmann bei der Bewertung von Gruppenanträgen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages zurückhalten. Sie scheinen auch eher dem FDP-internen Diskurs mit Wolfgang Kubicki geschuldet zu sein."
Derzeit gibt es mehrere Anträge im Bundestag zum Thema Impfpflicht - eine Mehrheit für einen davon zeichnet sich aber noch nicht ab. Die Ampel-Koalition hat vereinbart, dass die Abgeordneten in freier Abstimmung ohne übliche Fraktionsvorgaben beraten und entscheiden sollen. Der FDP-Vize Kubicki lehnt eine Impfpflicht ab und zeigte sich nun im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio überzeugt: "Die Impfpflicht ab 18 Jahren ist tot." Er sei überzeugt, dass es keine Mehrheit im Deutschen Bundestag im April geben werde für eine Impfpflicht, "in welcher Form auch immer".
Klärungsbedarf in der Koalition gibt es außerdem weiter bei der Frage des künftigen Corona-Kurses nach den anstehenden Lockerungen. Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der mitregierenden Grünen, forderte erneut, den Ländern "die Rechtsgrundlage für einen flexiblen Maßnahmenkatalog als Notfallkoffer für den Frühling" an die Hand zu geben. "Für eine Verschlechterung der Lage müssen wir Vor- statt Nachsorge treffen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag). FDP-Fraktionschef Christian Dürr lehnte ähnliche Forderungen aus den Reihen der Länder hingegen erneut ab.
Bund und Länder hatten sich darauf verständigt, dass die allermeisten Corona-Einschränkungen bis 20. März fallen sollen. Kanzler Scholz und die Länderregierungschefs hatten sich aber für "niedrigschwellige Basisschutzmaßnahmen" über das Datum hinaus ausgesprochen. Was diese umfassen sollen, wird zurzeit diskutiert. Auf dem Tisch liegt etwa eine Fortsetzung der Maskenpflicht im Handel sowie in Bus und Bahn.