Viele Menschen wissen so viel über Viren und Co wie noch nie, aber auch unbeschreibliche Menge an unausrottbaren Falschinformationen kursiert in sozialen Medien.
"Noch nie wussten so viele Menschen über Viren, das Immunsystem und Impfstoffe Bescheid, wie jetzt in der Covid-19 Pandemie, es war aber auch noch nie so viel Falschinformation im Umlauf“, erklärte die Tiroler Immunologin Birgit Weinberger Donnerstagabend in einem vom Österreichischen Jugendrotkreuz organisierten Webinar. Dass Corona-Impfungen unfruchtbar machen, wäre etwa eine alte Mär, deren Ursprung man gut kennt, die aber nach wie vor Furore bei Impfgegnern macht.
Sie stammt vom Blog eines einstigen Mitarbeiters des Impfstoffherstellers Pfizer, der aufgrund dieser Tatsache fälschlicherweise eine Art "Glaubwürdigkeit“ geniest, so Weinberger, die am Institut für Biomedizinische Alternsforschung der Universität Innsbruck forscht. Dort hätte er die Behauptung verbreitet, dass die Impfung steril macht, ohne sie mit irgendwelchen Daten zu stützen. Diese nicht mehr fragwürdige, sondern oftmals widerlegte These habe er hergeleitet von der Ähnlichkeit eines winzigen Abschnitts beim 1.300 Aminosäuren langen Andock-Eiweißstoff (Spike Protein) von SARS-CoV2 und einem 550 Aminosäuren langem menschlichen Eiweißstoff (Syncytin-1), der für die Plazentaentwicklung wichtig ist. Dort sind vier von fünf Aminosäuren gleich.
Das Immunsystem würde deswegen die Plazenta angreifen und Schwangerschaften unterbinden, so die falsche These. Solche Ähnlichkeit würde man zwischen den meisten Eiweißstoffen finden, wenn man zwei beliebige vergleicht, erklärte Weinberger. Ebenso würden – als Vergleich – bei zwei solch langen Texten viele Wörter gleich sein, ohne dass man die Texte verwechseln könnte. "Die Ähnlichkeit ist also nicht so groß, wie sie vermittelt wurde, und das Immunsystem kann sehr gut zwischen den beiden Eiweißstoffen unterscheiden“.
Dies hätten nicht zuletzt die Impfzulassungsstudien gezeigt, wo bei zehntausenden geimpften und ungeimpften Frauen vergleichbar viele in den Folgemonaten schwanger wurden. Bei Fällen, wo "Frauen, die akut schwanger werden wollten“ eine künstliche Befruchtung durchführen ließen, wisse man, dass die Impfung tendenziell ein Vorteil ist. "Sie schützt vor Infektionen mit dem Virus, die in der Schwangerschaft ein Problem sind“, sagte Weinberger.
"Die Ursprungsbehauptung, die ohne jegliche Daten in die Welt gestreut wurde, hält sich dennoch unglaublich hartnäckig“, so die Immunologin. Teresa Neuwirth von der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien macht dafür unter anderem die Algorithmen der "sozialen Medien“ verantwortlich: "Wenn man einmal bei Hundefotos 'gefällt mir‘ klickt, bekommt man immer mehr solcher Schnappschüsse zu sehen“, erklärte sie: "Das selbe passiert bei Falschmeldungen zur Coronaimpfung“. Was bei Hundefotos nett ist, führt bei Impfungen dazu, dass die Menschen immer mehr Falschinformationen zu Gesicht bekommen. "Da kommt man dann fast nicht mehr raus“, sagte die Forscherin.
Dennoch würden auch seriöse Informationen viele Menschen erreichen, sagte ORF-Journalist Armin Wolf. Etwa, wenn Wissenschafter und Mediziner, die in die "Zeit im Bild“ Sendungen eingeladen sind, fundierte Daten und Zusammenhänge verständlich erklären. Bei Corona-Themen gäbe es oft bis zu eineinhalb Million Zusehern. Sie hätten also eine unglaubliche Reichweite, um der Verbreitung des "Mülls in den sozialen Medien, der sich als Information tarnt“, entgegenzuwirken.