Agrarministerin: Milch-, Rindfleisch- und Gemüsebereich besonders betroffen - Handel soll bei Aktionen nur heimische Waren anbieten - Einfliegen von Erntehelfern nicht im Fokus.
Wien. Die heimischen Landwirte bekommen die Sperre der Gastronomie- und Tourismusbetriebe aufgrund der Corona-Krise deutlich zu spüren. Der Absatzrückgang, etwa im Milch-, Rindfleisch-und Gemüsebereich, bringe die Bauern unter Druck, sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) im Gespräch mit der APA.
Nachdem in den nächsten Monaten aufgrund des Coronavirus voraussichtlich sehr viele Touristen nicht nach Österreich kommen werden, appellierte die Ministerin an die Supermarktketten und Verbraucher verstärkt regionale Ware einzukaufen. "Es wird sehr viel davon abhängen, dass wir einen Schulterschluss mit dem Lebensmittelhandel und den Konsumenten schaffen", sagte Köstinger. Beim Einkauf entscheide jeder Einzelne mit, "ob die Landwirtschaft in der Art und Weise weitergeführt werden kann oder nicht".
Von den Lebensmittelhändlern wünscht sich Köstinger eine Absichtserklärung bei allen frischen Lebensmitteln, nur österreichische Waren für Aktionen anzubieten. "Es geht aber nicht darum, alles andere aus dem Regal zu verbannen", so die Ministerin. Es habe jedoch in den vergangenen Wochen noch "knallharte Preisaktionen" mit ausländischen Produkten gegeben.
Viele Molkereien passen sich derzeit an die gesunkene Nachfrage an. Die Bauern sollen weniger Milch anliefern, um eine Preisspirale nach unten zu verhindern. Andere Molkereien produzieren mehr länger haltbare Produkte. Zuletzt verwies der Präsident der Vereinigung der Österreichischen Molkereien (VÖM), Helmut Petschar, im APA-Gespräch aber auf große Chancen für die Bauern und Verarbeiter nach der Krise.
Köstinger fordert auf EU-Ebene einen Krisenmechanismus für die landwirtschaftlichen Betriebe in Zeiten des Coronavirus, etwa Stabilisierungsinstrumente für die Marktpreise. "Da hat es leider noch nicht besonders viel Bewusstsein dafür gegeben." Die Politikerin verwies als positives Beispiel auf die Reaktion der EU auf das Russland-Lebensmittelembargo im Jahr 2016, wo dann Milchbauern in der EU einen finanziellen Bonus für ihre freiwillige Mengenreduktion bekamen. Dies sei damals "extrem hilfreich gewesen".
Dass sich aufgrund der Corona-Krise der Strukturwandel beschleunigt und mehr Bauern aus der Produktion aussteigen werden, glaubt Köstinger nicht. Die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) mit den Ausgleichszahlungen sei für die Bauern "ein Sicherheitsnetz". Auch der Härtfallfonds und der Corona-Hilfsfonds stehe den Bauern offen. Momentan gibt es rund 2.500 Anträge aus der Landwirtschaft für die erste Phase des Härtefallfonds.
Den heimische Bauern und Lebensmittelverarbeitern fehlen aufgrund der Corona-Krise und den Grenzschließungen aber tausende Arbeitskräfte aus Osteuropa. Über die Online-Plattform www.dielebensmittelhelfer.at haben sich bisher mehr als 20.000 Interessierte gemeldet und es befinden sich derzeit rund 1.500 Personen in der Vermittlung. Die Plattform laufe "sehr erfolgreich", so das Zwischenfazit von Köstinger.
Bisher haben rund 460 landwirtschaftliche und verarbeitende Betriebe einen Bedarf von rund 3.800 Arbeitskräften gemeldet. Rund 40 Prozent der Betriebe brauchen Mitarbeiter in den nächsten Tagen, der Rest erst in den nächsten Wochen. Der befürchtete große Arbeitskräftemangel bei den Verarbeitungsbetrieben - etwa in der Fleischverarbeitung - habe sich bisher aber nicht eingestellt, so Köstinger. Viele Betriebe hätten ihre Mitarbeiter halten können.
Ein Einfliegen von tausenden Erntehelfern und Saisonniers aus Osteuropa - wie etwa in Deutschland - steht für die Landwirtschaftsministerin derzeit nicht im Fokus. "Unsere erste Priorität ist die Vermittlung über die Online-Plattform." Es gebe in Österreich den höchsten Arbeitslosenstand seit 1945. Wenn landwirtschaftliche Betriebe Stammpersonal und Fachkräfte einfliegen wollen, dann müsse es die Branche selbst organisieren, so die Landwirtschaftsministerin. Das Ministerium konzentriere sich auf die Arbeitskräftevermittlung via der Online-Plattform. Die Landwirtschaftskammer Österreich hat sich zuletzt sehr kritisch zum Einfliegen von Erntehelfern geäußert.