Coronavirus

Kurz verteidigt Vorgehen bei Impfverteilung in EU-Ausschuss

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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Dienstag im EU-Hauptausschuss des Nationalrats sein Vorgehen auf EU-Ebene bezüglich der Verteilung von Impfstoffen verteidigt 

Beim EU-Videogipfel am Donnerstag und Freitag werde das Hauptthema die Koordinierung der Covid-Maßnahmen in Europa sein. Aber auch die Reisebeschränkungen, Quarantäneregeln und mögliche Exportbeschränkungen von Corona-Impfstoffen würden die EU-Staats-und Regierungschefs besprechen, so Kurz.

So sei aus der EU eine große Zahl von Vakzinen in die USA und nach Großbritannien exportiert worden, in umgekehrter Richtung aber nicht, so Kurz. Bezüglich der Ungleichverteilung von Impfstoff innerhalb der EU betonte der Kanzler, das Ziel der EU-Kommission sei es gewesen, allen Bürgern bis zum Sommer eine Impfung anzubieten. Eine "stärker werdende Kluft" innerhalb der EU könne nicht gut sein, so Kurz. Er sei aber optimistisch, dass es beim Gipfel zu einer Lösung kommen werde.

Die Pandemie habe den Reformbedarf des Wettbewerbs- und Beihilfenrechts in der EU gezeigt, stellte Kurz weiter fest. Hier gelte es, Standort und Innovation in der EU zu stärken, um die grüne Transformation zu gewährleisten. Außerdem wollen die EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel Strategien zur Stärkung des Euros besprechen, hier seien aber keine Entscheidungen zu erwarten, so Kurz.

Bezüglich seiner Kritik an Abweichungen vom Bevölkerungsschlüssel bei den Corona-Impfstofflieferungen durch den Lenkungsausschuss auf Beamtenebene, bekräftigte Kurz laut Parlamentskorrespondenz, dass die Staats- und Regierungschef im Europäischen Rat stets die Information erhalten hätten, dass die Impfstoff-Auslieferung "pro rate population at the same time", also proportional zur Bevölkerung zur selben Zeit, erfolge.

Dass der dafür zuständige Lenkungsausschuss auf Beamtenebene unter Geheimhaltung davon abweicht, sei nicht allen Regierungschefs bekannt gewesen, wie er in vielen Telefonaten mit europäischen Amtskollegen festgestellt habe, erklärte Kurz. "Kaum jemandem war bewusst, dass es deutlich unterschiedliche Liefermengen gibt und die Verteilung nicht proportional zur Bevölkerung stattfindet", so der Kanzler. Wären die unterschiedlichen Liefermengen allen Mitgliedsstaaten bewusst gewesen, hätten diese von jedem Impfstoff "as much as possible" bestellt.

Die Opposition sah dies anders und ortete der Parlamentskorrespondenz zufolge ein klares Versagen beim Kanzler und der Bundesregierung selbst. Kurz will nach Ansicht der SPÖ, FPÖ und den NEOS einen Schuldigen suchen, um von den eigenen Versäumnissen und Fehlern abzulenken. Die Bundesregierung habe nur 200 Mio. Euro für Corona-Impfstoffe budgetiert, wodurch seitens Österreichs auf EU-Ebene auch nicht mehr Impfstoffe bestellt wurden, als laut Einwohnerzahl möglich gewesen wären. Zudem hätte es im Jänner auf EU-Ebene die Möglichkeit gegeben, nicht abgerufene Impfstoffe aus anderen Mitgliedsstaaten nachzubestellen. Auch das sei nicht passiert, waren sich die Oppositionsfraktionen in der Schuldfrage einig.

Kurz erklärte weiters, man wolle am Gipfel auch über die Beziehungen der EU zu Russland und der Türkei sprechen. Er sehe angesichts des eben erfolgten Austritts der Türkei aus der Istanbul-Konvention und dem Verbot der Oppositionspartei HDP weiter Bedarf einer konsequenten Position der EU, auch wenn es zuvor Entspannungssignale gegeben habe. Er werde sich "weiterhin für den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einbringen", betonte Kurz auf Nachfrage der FPÖ-Abgeordneten Petra Steger. Hier sei man in sehr enger Abstimmung mit Griechenland und Zypern, so Kurz. Der außenpolitischen Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedizc, die anmerkte, dass Polen aus der Istanbul-Konvention austrete und die Slowakei nicht ratifizieren wolle, versicherte Kurz, er werde das Thema beim Gipfel ansprechen, sehe aber hier wenig Hebelwirkung.

Auf die Frage des NEOS-Abgeordneten Helmut Brandstätter, wo sich Österreich angesichts jüngster Spannungen zwischen Russland und den USA positioniere, meinte Kurz, er sei ein "überzeugter Vertreter eines liberalen Rechtsstaates" und für eine starke transatlantische Beziehung. Dennoch gelte es auch, gute Beziehungen zu Russland zu haben, so Kurz, denn "Frieden in Europa kann es nur mit Russland geben".

Der stellvertretende SPÖ-Klubomann Jörg Leichtfried kritisierte die Festsetzung einer Obergrenze für die Bestellung von Impfstoffen in der Höhe von 200 Millionen Euro. Auch die Einführung eines "Grünen Passes", ohne ausreichend Impfungen zu haben, sei eine "Frotzelei", so Leichtfried. Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch kritisierte, dass mit 200 Millionen Euro für Impfstoffe die Regierung weniger ausgebe als für Werbung. Auch dass Kurz am 6. Jänner das Impfen zur Chefsache erklärt habe und danach von den Vorgängen bei Impfstoffbestellung nichts gewusst habe, verwunderte sie. "Worum haben sie sich als Chef gekümmert?", so Belakowitsch.

Die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon meinte zur Impfstoffbestellung, entweder habe man es gewusst und Fehler gemacht oder man habe es nicht gewusst. Allerdings sei "beides katastrophal", so Gamon. Unterstützung bekam Kurz indes von Michel Reimon (Grüne), der das Vorgehen, sich um die gerechte Verteilung von Impfstoffen in der EU zu kümmern, verteidigte. "Selbst wenn wir selber nicht mehr Impfdosen bekommen würden, ist das Vorgehen aus europapolitischer Perspektive völlig richtig", so Reimon.
 

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