LH Platter sieht kommende zwei Wochen als entscheidend - Verlängerung der Maßnahmen denkbar, sollte sich Lage nach zwei Wochen nicht stabilisieren.
Innsbruck. Tirols LH Günther Platter (ÖVP) hat am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz im Landhaus erneut den dringenden Appell an die Bevölkerung gerichtet, sich an die strengen Corona-Maßnahmen zu halten. Es gäbe vor dem Hintergrund der hohen Anzahl an Hospitalisierungen "keine Alternative". Innerhalb von zwei Wochen hat sich die Zahl der Covid-Patienten in Tirols Spitälern von 59 auf 226 vervierfacht, 36 davon benötigen mit Stand Montagmittag intensivmedizinische Betreuung.
"Wir alle haben es in der Hand, dass unser Gesundheitssystem nicht kollabiert", richtete sich Platter an die Bevölkerung. Er stehe voll und ganz hinter den neuen Bestimmungen. "Es ist Aufgabe der Politik, sich von Experten beraten zu lassen, aber auch unliebsame Entscheidungen zu treffen", betonte der Landeschef. Sollte sich die Lage in den nächsten zwei Wochen nicht stabilisieren, halte er eine Verlängerung der Maßnahmen für denkbar. Schließlich gehe es um das Gesundheitssystem und "jedes Leben ist es wert, gerettet zu werden".
Wie auch der Landeshauptmann betonte seine Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) die Wichtigkeit bundeseinheitlicher Maßnahmen. Die kommenden vier Wochen seien mit der Situation im Frühjahr nicht zu vergleichen, meinte Felipe. In ihrer Funktion als Verkehrslandesrätin verwies sich auf die Auswirkungen der Maßnahmen im Nahverkehr: die Innsbrucker Nightliner würden ihren Betrieb vor dem Hintergrund der nächtlichen Ausgangssperre nun einstellen. So wolle man Ressourcen schonen, die zur Abdeckung des Frühverkehrs eingesetzt werden sollen. Distance-Learning und Home-Office würden zur Entzerrung der Morgenspitze beitragen, sollte es weiterhin zu überfüllten Öffis kommen, so solle man sich an die Verwaltung wenden. "Wir haben es im Frühjahr geschafft und werden es wieder schaffen", zeigte sich Felipe optimistisch und appellierte eindringlich: "Schützen Sie sich und ihre Liebsten"
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Eine Experteneinschätzung der Lage bot den anwesenden Medienvertretern Alexandra Kofler, Ärztliche Direktorin Klinik Innsbruck. Strategie habe sich im Vergleich zur ersten Welle verändert. Hatte man im Frühjahr noch frühzeitig Kapazitäten freigehalten, so sei heute das Ziel, "die Bevölkerung so lange so breit wie möglich zu versorgen". Das bedeute eine große zusätzliche Belastung für das medizinische Personal, dem "maximale Flexibilität" abverlangt werde. "Wir sind grundsätzlich gut aufgestellt, haben fein abgestimmte Stufenpläne, die nahtlos ineinander übergehen". "Höchsten Respekt" müsse man sowohl dem Virus als auch den Mitmenschen zollen. Tirolweit würde man sich permanent abstimmen. Ziel sei es, kleinere Häuser zu entlasten, die Innsbrucker Klinik werde, als größtes Haus mit den meisten Kapazitäten, so viele Patienten wie möglich aufnehmen.
Ewald Wöll, Ärztlicher Direktor Krankenhaus Zams, sprach von einem "Déjà-vu". Man habe schon im Frühjahr gesehen, dass es sich um eine "andere Form viraler Entzündung", die "schwerer und langwieriger ist" handle: "Die Herausforderungen sind unglaublich". Die Pandemie erfordere "höchstqualifiziertes Personal". Rund 33 Tage würden die Patienten auf der Intensivstation verbringen müssen, was bedeutet, dass die normale Fluktuation dann nicht mehr gewährleistet werden kann. Eine Transferierung von Covid-Kranken sei nicht immer möglich, oft seien die Betroffenen nicht "fit genug für den Transfer". Als die Kurve in den Sommermonaten abflachte, beobachtete er die Situation mit Sorge: "Wir waren in jedem 14-Tages-Rhythmus nervös, wie sich die Situation wohl entwickelt." Nun appellierte auch er an die Bevölkerung, vorsichtig zu sein: "Wir können uns keinen zweiten Lockdown des Gesundheitssystems mehr leisten. Durchhalten lohnt sich." Es gehe schließlich nicht nur "um die Verringerung von Todesfällen sondern auch um die Verringerung von Leid". Covid sei eine "schwere, komplexe Erkrankung". "Auch wenn Sie es nicht sehen, wir sehen es Tag für Tag", fügte Wöll hinzu und stellte klar: "Die strengen Maßnahmen sind unumgänglich, einen anderen Weg sehe ich in der derzeitigen Situation nicht".