Mehr als zwei Drittel der Corona-Patienten konnte die Intensivstation lebend wieder verlassen.
Dass rund die Hälfte der Corona-Intensivpatienten die Krankheit nicht überlebt - diese viel zitierte Annahme hält zumindest einer Tiroler Studie nicht stand. Diese ergab nämlich, dass in der zweiten Welle, die im vergangenen Herbst begann, mehr als zwei Drittel der Tiroler Intensivpatienten die Intensivstationen wieder lebend verlassen haben können, sagte Michael Joannidis, Leiter der internistischen Intensivstation der Uni-Klinik Innsbruck, im APA-Interview.
Die Corona-Sterblichkeit auf den Tiroler Intensivstationen entspreche somit dem allgemeinen Durchschnitt sonstiger Erkrankungen mit Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrom, ARDS, Anm.) zum Beispiel bei einer schweren Grippe. Die Zahlen sind laut Joannidis umso bemerkenswerter, als in der zweiten Welle wesentlich mehr ältere und alte Patienten betroffen waren als in der ersten, und sich die Zahl der Intensivpatienten gegenüber der ersten Welle vervierfacht hatte. 401 Corona-Intensivpatienten hatte man in der zweiten Welle, die bis März 2021 dokumentiert wurde, verzeichnet - im Vergleich zu 107 in der ersten. Die "Intensiv-Sterblichkeit" lag in der ersten Welle in Tirol bei 21,5 Prozent, in der zweiten bei 28,9 Prozent, so Joannidis zu den in der Studie der Medizinischen Universität Innsbruck aufgelisteten Daten. Dies ist deutlich niedriger als im benachbarten Ausland. Basis für die Studie war übrigens ein intensivmedizinisches Register für alle Corona-Intensivpatienten. Ein solches sei in Tirol als einzigem Bundesland angelegt worden.
"Ressourcen optimiert"
Aus der ersten Welle hätten die medizinisch Verantwortlichen jedenfalls die notwendigen Lehren gezogen und ein "strukturiertes Vorgehen" an den Tag gelegt bzw. "Ressourcen optimiert". Dadurch habe größerer Schaden abgewendet werden können. "Wir haben etwa deutlich weniger intubieren müssen", erklärte der renommierte Mediziner. Auch habe man in Tirol generell "experimentelle Therapien" außerhalb von kontrollierten Studien vermieden. So wurde unter anderem auf die Gabe von zeitweise durchaus populären Medikamenten wie z.B. von HIV- oder Malaria-Medikamenten verzichtet, die sich dann in nachfolgenden Studien als nachteilig erwiesen hätten. Auch dadurch sei eine niedrigere Sterblichkeit bei Corona-Patienten erreicht worden.
Im Bundesland habe zudem eine Überlastung der Krankenhäuser vermieden werden können - eine solche Überlastung sei einer der wesentlichen Faktoren für Sterblichkeit, führte der Intensivmediziner und Intensivbettenkoordinator des Landes aus. Dies sei nicht zuletzt durch ein "strukturiertes Intensivbettenmanagement" im Rahmen einer Initiative der Tiroler Intensivmediziner gelungen. Letzteres beinhaltete etwa die Behandlung von schweren Corona-Fällen vor allem "im Zentrum", also an der Innsbrucker Uni-Klinik, und weniger schwerer Fälle "an der Peripherie", in den Bezirkskrankenhäusern. Darüber hinaus wurden laut Joannidis je nach Auslastung die Intensivpatienten auf alle Bezirkskrankenhäuser in Tirol nach einem gemeinsam vereinbarten Schlüssel verteilt.