Datenschutzskandal?

Chinesen sammeln weltweit Gendaten von Schwangeren

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Unternehmen verwendet Daten zu Forschungszwecken - Besorgnis in den USA und Europa groß.

Die chinesische Genfirma BGI Group nutzt Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge einen zusammen mit dem chinesischen Militär entwickelten Test für Schwangere, um Gendaten von Millionen Frauen weltweit zu sammeln und auszuwerten. Diese Daten werden für umfassende Forschungen zu den genetischen Eigenschaften von Bevölkerungsgruppen genutzt, wie aus Unternehmensangaben und einer Reuters-Analyse wissenschaftlicher Studien hervorgeht.

Dies hat Besorgnis sowohl in den USA als auch Europa ausgelöst - zumal sich die Tonlage in den Beziehungen zwischen westlichen Regierungen und vor allem den USA und dem kommunistischen China in den vergangenen Monaten verschärft hat.

Auch Österreicherinnen betroffen

Nach Recherchen der Bild Zeitung wurde nun bekannt, dass auch österreichische Schwangere vom Datenskandal betroffen sind. Eine slowenische Firma die die China-Tests unter dem Namen "NIFTY by GenePlanet" in Österreich anbietet übermittelten personenbezogenen Daten an das Partnerlabor BGI in Hongkong.

Dabei verspricht die slowenische Firma, die die China-Tests unter dem Namen „NIFTY by GenePlanet“ in Österreich anbietet: „Proben werden in unserem eigenen Labor in Europa analysiert, was das höchste Niveau von Qualität und Datensicherheit gewährleistet“. 

Bedrohung der nationalen Sicherheit 

Der Vorgang wirft zudem ein Licht auf den generellen Umgang mit Medizindaten durch Regierungen und Konzerne weltweit, zumal zunehmend Künstliche Intelligenz benutzt wird, um Daten auszuwerten. Die US-Regierung sieht in den Bemühungen von BGI, menschliche Gendaten zu sammeln und zu analysieren, eine Bedrohung der nationalen Sicherheit. In Deutschland gibt es zudem Kritik an einem möglichen Datenabfluss. "Dieser Test darf künftig in Deutschland nur angewendet werden, wenn sichergestellt ist, dass die verwendeten Daten im Geltungsbereich der Datenschutzgrundverordnung verbleiben", sagte etwa der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff am Freitag zu Reuters.

Tests seit 2013 verfügbar

Chinas größtes Genomik-Unternehmen BGI begann 2013 mit der Vermarktung des Pränatal-Tests im Ausland. Unter dem Markennamen Nifty gehört er zu den meistverkauften nicht-invasiven pränatalen Tests (NIPT) der Welt. Dabei wird eine Blutprobe einer schwangeren Frau untersucht, um Anomalien wie das Down-Syndrom beim sich entwickelnden Fötus festzustellen. Bislang wurden laut BGI weltweit mehr als acht Millionen Frauen getestet. Nifty wird in mindestens 52 Ländern verkauft, darunter in Deutschland, Kanada, Australien, Thailand und Indien, aber nicht in den Vereinigten Staaten.

BGI verwendet übrig gebliebene Blutproben, die an sein Labor in Hongkong geschickt werden, um anonymisierte genetische Daten für Bevölkerungsforschung einzusetzen, bestätigte das Unternehmen. Nach Informationen von Reuters befinden sich die genetischen Daten von mehr als 500 Frauen auch aus Europa und Asien, die den Test benutzt hatten, auch in der von Chinas Regierung finanzierten China National GeneBank.

Nutzerinnen müssten zustimmen

Reuters fand laut eigenen Angaben keine Beweise dafür, dass BGI gegen Datenschutzvereinbarungen oder -bestimmungen verstoßen hat. Das Unternehmen betonte, es hole eine unterzeichnete Zustimmung ein und vernichte Proben und Daten aus Übersee nach fünf Jahren. "Zu keinem Zeitpunkt während des Test- oder Forschungsprozesses hat BGI Zugriff auf identifizierbare persönliche Daten", erklärte das Unternehmen.

Die Datenschutzrichtlinien des Tests besagen jedoch, dass die gesammelten Daten weitergegeben werden können, wenn sie "direkt relevant für die nationale Sicherheit oder die nationale Verteidigungssicherheit" in China sind. BGI erklärte, dass es "niemals darum gebeten wurde, Daten aus seinen Nifty-Tests für die nationale Sicherheit oder die nationale Verteidigung an chinesische Behörden weiterzugeben - noch hat es diese Daten zur Verfügung gestellt." Chinas Außenministerium erklärte, die Reuters-Recherchen spiegelten "grundlose Anschuldigungen und Verleumdungen" der US-Behörden wider.

Gen-Daten in bisher unbekanntem Ausmaß

Das U.S. National Counterintelligence and Security Center, das schon früher vor dem Sammeln von Gesundheitsdaten durch chinesische Firmen gewarnt hatte, zeigte sich besorgt über den Datentransfer nach China. So könnten "genetische und genomische Daten aus der ganzen Welt gesammelt werden", erklärte das Zentrum. Andere Firmen, die solche pränatalen Tests verkaufen, verwenden ebenfalls Daten für die Forschung. Auch zahlreiche amerikanische IT-Konzerne sammeln und verarbeiten weltweit Gesundheitsdaten von Menschen - auch aus Europa.

Aber keiner von ihnen operiere bei Gen-Daten in der Größenordnung von BGI, sagten Wissenschafter und Ethiker. Und keiner habe wie BGI Verbindungen zu einer Regierung oder dem nationalen Militär.

BGI begann 2010 mit chinesischen Militärkrankenhäusern zusammenzuarbeiten, um die Genome von Föten zu untersuchen. Die Firma hat mehr als ein Dutzend gemeinsamer Studien mit Forschern der Volksarmee veröffentlicht, um seine pränatalen Tests zu testen und zu verbessern, wie die Reuters-Überprüfung von mehr als 100 öffentlichen Dokumenten zeigte.

Auch der deutsche Bundesbeauftragte für Datenschutz mahnte zur Vorsicht. "Daten über unsere Gesundheit sind sehr sensible Informationen. Deshalb sind sie laut der europäischen Datenschutz-Grundverordnung als besonders schützenswert. Das gilt auch bei Datentransfers in Länder außerhalb der EU", sagte ein Sprecher auf Anfrage, ohne zu dem konkreten Fall Stellung zu nehmen.
 

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