Fotografie eines Wagner-Porträts ist Auslöser für juristischen Streit.
Zuletzt verklagte Wikipedia die NSA , nun sieht sich die Online-Enzyklopädie selbst mit einer Klage konfrontiert: Richard Wagner macht einen ernsten Eindruck. Auf dem um 1862 entstandenen Ölgemälde ringt sich der berühmte Komponist kaum ein Lächeln ab. Und ernst geht es auch beim juristischen Streit zu, der sich gut 150 Jahre später zwischen einem Mannheimer Kunstmuseum und der Online-Enzyklopädie Wikipedia um das Bild entfacht - oder vielmehr um eine Fotografie davon.
Worum geht es genau?
Das Gemälde des Malers Cäsar Willich (1825-1868) gehört zum Bestand der Reiss-Engelhorn-Museen. Ein Foto davon, aufgenommen vom Hausfotografen des Ausstellungshauses, ist auf mehreren Wikipedia-Seiten zu sehen. Nach Auffassung der Wikimedia, der Organisation hinter Wikipedia, handelt es sich um ein gemeinfreies Bild. Die Stadt Mannheim als Museumsbetreiber sieht dagegen ihr Urheberrecht und ihr Recht am Eigentum verletzt - und klagt jetzt vor dem Berliner Landgericht gegen die Macher des Online-Lexikons.
"Uns geht es nicht darum, dass die Millionen Menschen, die ganz normal Wikipedia nutzen, nicht in den Genuss dieses Bilds kommen können", erklärt der Generaldirektor des Museums, Alfried Wieczorek. "Aber wir möchten kontrollieren, dass etwas, was uns gehört, nicht in falsche Hände gerät." Das Museum hat dafür klare Regeln. In den Ausstellungsräumen herrscht ein Fotografierverbot. Hauseigenes Bildmaterial kann nach Absprache und bei Zahlung von maximal 250 Euro verwendet werden.
Wikimedia kontert
"Ich verstehe nicht, warum eine öffentliche Institution, die einen Bildungs- und Forschungsauftrag hat, mit aller Macht gegen die Verbreitung von Wissen vorgeht", kontert Christian Rickerts, Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland. Wissenschaftliche und kulturelle Projekte würden gerne unterstützt, sagt Museumsdirektor Wieczorek. "Insbesondere die kommerzielle Nutzung von Bildern muss aber abgestimmt werden." So habe ein US-Unternehmen das Foto aus der Wikipedia verwendet und Merchandising-Produkte mit dem Wagner-Porträt produziert - ohne Rücksprache mit dem Museum.
Am Original-Gemälde ist zweifelsohne das Urheberrecht erloschen, da der Künstler vor mehr als 70 Jahren gestorben ist, da sind sich Museum und Wikimedia einig. Offen ist aber die Frage, wer die Nutzungsrechte an dem Foto und an 16 weiteren Fotografien gemeinfreier Gemälde aus Mannheim hat. "Für beide Seiten geht es um eine Menge", sagt der Hamburger Jurist Oliver Stegmann, der auf Medien- und Urheberrecht spezialisiert ist. "Wäre es zulässig, was Wikimedia macht, dann würde vielen Museen eine Erlösquelle wegbrechen. Umgekehrt wäre es für Wikimedia eine Einschränkung, wenn sie ihre Bilddatenbank nicht mehr so frei wie bisher bestücken könnte."
Was darf der Verein zeigen?
Der Verein Wikimedia kann nur Medien zeigen, die entweder gemeinfrei sind oder unter einer freien Lizenz stehen. In einem Blogeintrag erklärte der Verein, das dies auch für die umstrittenen Bilder gelte: Alle 17 Werke seien von Künstlern erschaffen worden, die länger als 70 Jahre tot sind. "Sie gehören der Allgemeinheit."
"Nur weil frühere Generationen in ihren Schutzüberlegungen nicht vorausahnen konnten, dass es einmal Scanner und das Internet geben würden, kann nicht einfach eine Hintertür für die Verlängerung über den ursprünglich gewollten Schutz hinaus konstruiert werden", sagt Rickerts. "Insbesondere dann nicht, wenn es sich wie bei den Fotos im Auftrag des Museums um originalgetreue 1:1-Abbildungen der Gemälde handelt." Eine zeitintensive und aufwendige Arbeit bedinge noch lange keine urheberrechtliche Schöpfungshöhe. Sollte sich die Stadt Mannheim durchsetzen, würde Wikipedia "erheblich weniger bunt".
Museum vertritt andere Meinung
Das Museum ist dagegen der Ansicht, dass es nur selbst über die Verwendung seiner Fotos bestimmen darf. Die Rechte lägen bei dem Hausfotografen, der die Bilder mit viel Aufwand und in hoher Qualität abgelichtet habe. "Wenn sich Wikipedia durchsetzt, würden viele Menschen die von der Fotografie leben, ihre Rechte und Einnahmen verlieren. Das muss man sich klar vor Augen führen", sagt der Museumsdirektor. Es gehe hier nicht nur um ein "bescheuertes Museum", wie ein Teil der Internet-Community sein Haus bezeichnet hatten - sondern um einen ganzen Berufsstand.
Manche Ausstellungshäuser gehen inzwischen einen ganz anderen Weg als die Mannheimer und ermöglichen - über eigne oder fremde Portale - einen freien Online-Zugang zu ihren Gemälden. Wieczorek ist überzeugt, dass das Gerichtsverfahren Signalwirkung haben kann: "Es gibt eine große Vielzahl von Museen, die das wie einen Musterprozess verfolgen und durchaus unserer Meinung sind."
(Qurelle: Jenny Tobien/dpa)