Film über den "iGod"

"Steve Jobs" startet in heimischen Kinos

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Drehbuchautor Aaron Sorkin gestaltete dichte, spannende Charakterstudie.

Als Technik-Visionär hat Steve Jobs die Welt, in der wir leben, entscheidend mitgeformt; als Kollege tyrannisierte er erbarmungslos, um seine Vision durchzusetzen. Der Apple-Gründer fasziniert nach seinem Tod 2011 wie keine andere Persönlichkeit des Silicon Valley, inspiriert Filme und gar eine Oper. Die bisher spannendste Auseinandersetzung, "Steve Jobs", startet am Donnerstag (12. November) in unseren Kinos.

Nicht mit gefloppten Vorgänger gemein

Vom Hollywood-Vorgänger, dem vor Kritikern wie auch Publikum gefloppten "Jobs" mit Ashton Kutcher, grenzen sich Drehbuchautor Aaron Sorkin ("The Social Network") und Regisseur Danny Boyle ("Slumdog Millionär") klar ab. Lose inspiriert von Walter Isaacsons gleichnamiger, autorisierter Biografie nähert sich Sorkin Jobs nämlich nicht in Form eines klassischen Biopics. In drei Akten spinnt er vielmehr eine subtile Charakterstudie hinter den Kulissen dreier großer Produktpräsentationen in San Francisco: dem Apple Macintosh 1984, dem NeXt Cube nach Jobs' Apple-Abgang 1988 und schließlich dem bahnbrechenden iMac bei seiner Rückkehr 1998.

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In jeweils 40 angespannten, in Echtzeit erzählten Minuten vor jedem Auftritt sieht sich Perfektionist Steve Jobs (Michael Fassbender) nicht nur mit technischen Last-Minute-Problemchen, sondern auch mit zwischenmenschlichen Eskalationen konfrontiert. Er wird von seiner Ex-Freundin Chrisann Brennan (Katherine Waterston) zur Rede gestellt, die finanzielle Unterstützung für ihre gemeinsame, von ihm erst spät anerkannte Tochter Lisa einfordert. Sein bester Freund und Apple-Co-Gründer Steve Wozniak (mit denkwürdigem finalen Auftritt: Seth Rogen) mahnt öffentliche Wertschätzung für sich und sein Team ein. Und auch Chefprogrammierer Andy Hertzfeld (Michael Stuhlbarg) und CEO John Sculley (Jeff Daniels) geraten mehrfach mit Jobs aneinander. Einzig seine Vertraute, Macintosh-Marketingchefin Joanna Hofman (Kate Winslet), dringt als Stimme der Vernunft und Menschlichkeit durch zu Jobs, der vom Publikum wie ein Rockstar gefeiert und backstage längst verteufelt wird.

Regisseur nahm sich Freiheiten
Aaron Sorkin, Schöpfer so geistreicher Serien wie "The Newsroom" oder "The West Wing", hat sich für sein Drehbuch viele Freiheiten genommen, schraubt an biografischen Eckdaten, um Jobs' komplexen Charakter und seine Höhen und Tiefen rund um den dramatischen Rauswurf bei Apple und seinen gefeierten Wiedereinstieg erlebbar zu machen. So arbeitete Joanna Hofman etwa nicht über die gesamte Dauer für Jobs, und wird der NeXt Cube, auf dem Tim Berners-Lee später das World Wide Web entwickelte, im Film als Design-Würfel abgetan. Dass sich die schwerwiegenden Auseinandersetzungen mit Jobs' Weggefährten an diesen drei Anlässen abgespielt haben, sei natürlich fiktiv. "Aber der Inhalt der Konfrontationen ist real", wie Sorkin im APA-Interview versicherte.

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Die drei Akte, wie am Theater intensiv von allen Beteiligten geprobt und vor Ort in drei prachtvollen Theaterhäusern in San Francisco gedreht, sind wie eigene Filme für sich, variieren teils in Stil, Soundtrack und - der jeweiligen Zeit angepasst - Kostüm. Nur vereinzelt blitzen Rückblicke auf - etwa in die legendäre Garage, in der Jobs und "Woz" den Apple I entwickelten. Das dichte Konstrukt schafft eine ungemeine Spannung, eine höchst unterhaltsame Tour de Force, in der ein superber Cast rund um den herausragenden deutsch-irischen Schauspieler Michael Fassbender ("Shame") den rasanten, intensiven Dialog von Sorkin mit Leben erfüllt.

Roter Faden
"Ich bin fehlerhaft konstruiert", ist Jobs' wohl denkwürdigster Satz im Film. Tatsächlich spielen die Geräte in "Steve Jobs" eine untergeordnete Rolle gegenüber der menschlichen Weiterentwicklung ihres Erfinders. Roter Faden ist Jobs' problematische Beziehung zu seiner Tochter Lisa, die seine verabscheuungswürdigste Seite und zugleich seine späten, holprigen Bemühungen zum Vorschein bringt. Im dritten Akt, wenn wir Fassbender erstmals in der ikonischen Aufmachung mit schwarzem Rollkragenpullover, Brille und blauen Jeans sehen, ist ein reiferer, milderer Jobs erkennbar, der später drei weitere Kinder mit seiner Ehefrau Laurene Powell groß ziehen und den Markt mit iPhone, iPod und iPad revolutionieren wird.

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Es ist ein Jammer, dass "Steve Jobs" bei seinem Kinostart an den US-Kinokassen mit 7,3 Millionen US-Dollar nur geringfügig mehr eingespielt hat als sein schwacher Vorgänger "Jobs". Und laut "Hollywood Reporter" eine "frustrierende Erinnerung daran, dass im heutigen Hollywood Qualität noch keinen Erfolg garantiert". Der Flop ist ein weiterer Dämpfer in einer Reihe von Problemen, die zu großen Teilen im Rahmen des letztjährigen Sony-Hacks publik wurden. Die Produktion ist seitdem von Sony zu Universal gewandert, statt David Fincher - der schon Sorkins Oscar-prämiertes Drehbuch "The Social Network" (2010) verfilmte - sprang Danny Boyle ein und nach Christian Bale und Leonardo DiCaprio, die jeweils für die Titelrolle vorgesehen waren, kam Michael Fassbender an Bord. Nicht zuletzt, weil "Steve Jobs" die Aufregung zumindest qualitativ gut überstanden hat, mögen ihm die Zuseher in Europa nun gewogen sein. Er ist so fordernd, fantasievoll und geistreich wie sein reales Vorbild es war.

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Externe Links
www.stevejobs-film.at

www.stevejobsthefilm.com



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