Provokante Kunstwerke

Wenn Künstler religiöse Gefühle verletzen

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Immer wieder regen sich Menschen über provokante Kunstwerke auf.

Die Fotografie eines in Urin versenkten Kruzifixes hat in Frankreich fundamentalistische Christen in Aufruhr versetzt. Sie übten Kritik an der Fotografie "Piss Christ" des New Yorker Künstlers Andres Serrano - mit der Axt.

Das zerstörte Bild soll weiterhin in der Ausstellung in Avignon gezeigt werden, wie ein Mahnmal für die Freiheit der Kunst. Kunst und Satire müssen an die Grenzen gehen, überspitzen und zeigen, was andere nicht wagen. Doch was für die einen Ausdruck von Kreativität ist, betrachten andere als Gotteslästerung.

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Gerhard Haderer
Der Gottessohn als liebenswerter Weihrauch-Kiffer, die wunderbare Fischvermehrung als Bootsunglück, der Gang über den See Genezareth als launiger Surf-Ausflug: Mit seinen Cartoons "Das Leben des Jesus" löste der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer in seiner Heimat 2002 einen Skandal aus. Die katholische Kirche brandmarkte die Werkreihe als Blasphemie, die gedruckte Ausgabe wurde prompt ein Bestseller.

Pop-Queen Madonna
Sie sorgte 2006 für Wirbel, als sie sich während ihrer Tournee-Bühnenshow an ein mit Spiegeln besetztes Kreuz hängen ließ und den Papst einlud, ihr Konzert in Rom zu besuchen; Katholiken protestierten, die Aufmerksamkeit der Medien war enorm. Religiöse Provokation als Werbestrategie?

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Was in westlichen Staaten durch Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und Redefreiheit geschützt ist, gilt in vielen Ländern mit Staatsreligion als Gotteslästerung und Straftat.

Gesetzes-Verletzung
In Deutschland beschloss die Regierung 1969 die Neufassung eines seit 1871 geltenden Paragrafen 166 des Strafgesetzbuches: Bestraft wird demnach nur, wessen Beschimpfung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Von Gotteslästerung ist darin nicht mehr die Rede. Die bloße Verletzung von Gefühlen wird also nicht mehr geahndet - wie etwa die durch das Satire-Magazin "Titanic", das in den 1990er Jahren auf dem Cover ein Kruzifix als Klopapierhalterung zeigte mit dem Text "Spielt Jesus noch eine Rolle?"

Auch wenn Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit für manche religiöse Menschen bisweilen eine Zumutung sein mögen - wer Verbote fordert, landet bei Zensur. Für den demokratischen Gesetzgeber ist es andererseits eine schwierige Gratwanderung, den Missbrauch der Freiheitsrechte zu bekämpfen.

Respekt und Verantwortung
Auf der Suche nach versöhnenden Gemeinsamkeiten sagte die evangelische Theologin Margot Käßmann einmal: "Kunstfreiheit und Religionsfreiheit sind Wahlverwandte. Ich würde die Kunstfreiheit immer verteidigen, aber es geht zugleich um Respekt und Verantwortung. Kunst kann etwas aufdecken: Georg Grosz hat 1926 Jesus mit der Gasmaske gezeichnet.

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Damals gab es einen Aufschrei, doch über die Jahrzehnte wurde das Bild zu einem Symbol dafür, wie Menschen im Ersten Weltkrieg sinnlos ihr Leben lassen mussten."

Immer wieder provozierten Künstler in den vergangenen Jahrzehnten mit christlichen Motiven Kirche und Staat und stritten so für Modernisierung und Freiheit. Der Berliner Maler Grosz zog wegen seiner Anti-Kriegswerke durch fünf Gerichtsinstanzen, um einen Freispruch zu erlangen, und musste dann vor den Nazis fliehen. Der berühmte Kurt Tucholsky wurde 1928 wegen seines angeblich gotteslästerlichen Gedichts "Gesang der Chorknaben" vor den Kadi gezerrt. Für seine Parodie auf die christliche Passionsgeschichte, "Die schlimme Botschaft", wurden der Autor Carl Einstein und sein Verleger Ernst Rowohlt verurteilt - obwohl unter anderem Thomas Mann ein Gutachten für Einstein schrieb.

Gekreuzigter Frosch
Noch 1982 sorgte der Künstler Herbert Achternbusch mit seinem Film "Das Gespenst" für Aufruhr, in dem eine Christusfigur in einem Kloster lebendig wird und mit der Oberin durch Bayern wandelt. Das Münchner Volkstheater zog 2004 ein kritisiertes Plakat zurück, das einen gekreuzigten Frosch mit gefülltem Bierkrug in der Hand zeigte. Nach Protesten von Kirchenvertretern wurde in Niederbayern 2007 eine Parodie von Leonardo da Vincis Gemälde "Das Abendmahl" aus einer Ausstellung verbannt. In der Version "Dinner for 13" des Wiener Malers Nino Holm waren Jesus und die Jünger durch Schweine ersetzt worden.

Humor und Gelassenheit könnten für streng-christliche Kunstbetrachter hilfreich sein. Und die Erinnerung an das, was Friedrich Schiller schon 1795 erkannte: "Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit."

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