Mit Holzhammer auf Hasenjagd

"Mein Freund Harvey" im Volkstheater

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 Hiller hat der mit Stewart verfilmten Komödie Charme weitgehend ausgetrieben.

Man kann nie genug Freunde haben. Deswegen sieht man am besten über ihre kleinen Fehler hinweg. Das ist die sympathische Botschaft von "Mein Freund Harvey". Der kleine Fehler des 1,96 großen Harvey ist allerdings, dass er die Gestalt eines weißen Hasen hat und nur Lebenskünstler Elwood ihn sieht. Die 1944 uraufgeführte Komödie von Mary Chase wurde vor allem durch ihre charmante Verfilmung mit James Stewart als Elwood bekannt. Diesen Charme lässt die Inszenierung von Katrin Hiller, die am 14. Juni im Volkstheater Wien Premiere hatte, weitgehend vermissen.

Flirt begeister Publikum
Till Firits Schuld ist das nicht. Er bewegt sich als liebenswerter Traumtänzer leichtfüßig und im Wiegeschritt in Stewarts Fußstapfen und verleiht dem Abend hübsche Momente. Unter seiner demonstrativen Distanzlosigkeit, seiner schrulligen Höflichkeit und seinem irritierenden Drang, es allen Recht zu machen und mit allen Freundschaft zu schließen, lässt er erst allmählich die Merkmale einer ausgewachsenen Alkoholsucht durchblitzen.

Mit dem Holzhammer auf Hasenjagd  
Ansonsten geht man jedoch mit dem Holzhammer auf Hasenjagd. Die Bühne von Friedrich Eggert setzt auf nichtssagende Austauschbarkeit und Drehmechanik, die den Schauplätzen gespenstisches Eigenleben verleiht und Umbauten zügig macht. Beim Spielen steht man dagegen eher auf der Bremse: Der Abend dauert über zweieinhalb Stunden, hat seine Längen und geht auch in die Breite, weil ziemlich dick aufgetragen wird.

Viel Extrovertiertheit und Exzentrik  
Nicht nur Elwoods Schwester Veta (Inge Maux) und seine auf Männersuche befindliche Nichte Myrtle Mae (Claudia Sabitzer) bieten knallige Varianten von Extrovertiertheit und Exzentrik, auch das Sanatorium des Dr. Chumley (Ronald Kuste), in dem zunächst irrtümlich Veta in Gummizelle und kalte Wanne gesteckt wird, gleicht einem Tollhaus. Hier regiert der von sich höchst eingenommene Dr. Sanderson (Matthias Mamedof), das höchst energisch zupackende Schwergewicht eines Pflegers (Christoph F. Krutzler) und eine Oberschwester, die von Andrea Bröderbauer als misslungener Blondinenwitz angelegt wird.

Resümee
Bei so viel sinn- und witzloser Hektik würde man tatsächlich lieber mit Harvey in aller Ruhe einen trinken gehen. Nur eines stimmt einen nachdenklich. Elwood weiß darüber Bescheid, dass es sich bei seinem Freund Harvey nicht einfach um ein großes Kaninchen, sondern um einen "Puca" handelt, einen zauberkräftigen Geist, der auch in die Zukunft sehen kann. "Pucas sind Gestaltwechsler", weiß das Online-Lexikon Wikipedia, "hin und wieder erscheinen sie Menschen in Form verschiedener Tiergestalten, z. B. als Hund, Ziege oder Pferd, jedoch immer mit schwarzem Fell." Schwarzes Fell? Hm. Mal Harvey fragen, was er davon hält...

Info

"Mein Freund Harvey" von Mary Chase, Deutsch von Alfred Polgar, Regie: Katrin Hiller, Bühne und Kostüme: Friedrich Eggert. Volkstheater Wien, Weitere Aufführungen: 15., 18., 21., 26.6., Karten: www.volkstheater.at.

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