Kritik

Theater im Zeichen der Wirtschaftskrise

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Die Rabenhof-Bühnenadaption des Kultfilms "Die fetten Jahre sind vorbei" bringt Kapitalismuskritik in eine neue Dimension.

Das Wiener Rabenhof-Theater hat mit der Bühnenadaption des deutschen Kultfilms "Die fetten Jahre sind vorbei" wohl einen absoluten "Goldgriff" gemacht. Seit dem Start des Stücks unter der Regie von Roman Freigaßner strömen Massen von alt bis jung in die charmante Kleinbühne im dritten Wiener Gemeindebezirk, scheinbares Off-Theater wird plötzlich zum medialen und kulturellen Großereignis. Schuld daran ist wohl auch der gesellschaftskritische wie gelungene Film von Hans Weingartner, der 2004 1,3 Millionen Besucher in die Kinos lockte.

Verpuffte Ideologie
Die deutschen Shooting-Stars Julia Jentsch und Daniel Brühl überzeugten in dem "Jugendthriller", der sich mit dem Verfall und der Überholung linksextremer Ideologie sowie Revolutionseuphorie kritisch auseinandersetzte. Zum Inhalt: Eine Jugendbande ist dem kapitalistischen System überdrüssig und spielt reichen Leuten einen Streich, in dem sie in ihre Villen einbrechen. Dabei werfen "die Erziehungsberechtigten" teure Möbelstücke durcheinander und hinterlassen Warnbotschaften wie "Sie haben zuviel Geld". Durch einen Fauxpas treffen sie aber während einer Nacht-Villen-Aktion auf den Top-Manager Hardenberg, den sie gefangennehmen und entführen. Im Laufe der Entführung implodiert die usprüngliche Ideologie, da sich das Entführungsopfer als "einer von Ihnen" entpuppt.

Auf Österreich gemünzt
Umso gespannter wurde natürlich auch der Bühnenumsetzung entgegengeblickt. Schon zu Beginn wird klar: Die Inszenierung lehnt sich vollends an den Filmplot an, zusehends wird der Film auch persifliert, was natürlich für etliche Lacher im Publikum sorgt. Die wilde, technoide Musikuntermalung (grandios interpretiert von Sängerin Makki) in Abwechslung mit tiefgründigeren Sounds sorgt für futuristische wie berührende Spannung, auf eine große Leinwand werden turbulente Szenen projeziert. Theater wird zunehmend zu seiner multimedialen Oper, die Unterschiede zum Film verschwimmen zusehends. Einige deutsche Elemente wurden auf das "Heimatland" und auf Wien getrimmt.

Im Hinterkopf
Selbstverständlich: Wer den Film kennt, verinnerlichte natürlich auch die schauspielerisch großartige Leistung - vorallem von Julia Jentsch. Marie-Luise Haugk bemüht sich zwar, fällt aber eher emotionslos hinter ihre beiden Kollegen Sebastian Wendelin und Michael Schusser zurück, das verwirrende Dreiecks-Liebesspiel wird in den Hintergrund gedrängt. Bernhard Majcen als entführter Döbling-Bonze Hardenberg überzeugt durch Witz und Überraschungen, sowie unglaublichem mimischen Spiel. Die lustigen stilistischen Elemente wie die Projektion der Minikamera durch das Villen-Puppenhaus machen eventuelle schauspielerische Schwächen wieder wett.

Wirtschaftsnot
"Innenministerin Maria Fekter vermutet linksradikale autonome Gruppen hinter den Verbrechen": Der wohl markigste Sager der Stücks besitzt einen beklemmend realen Kern. Doch die Politik spielt eine zunehmend nichtigere Rolle. In Zeiten wie diesen, in denen Menschen von großer wirtschaftlicher Unsicherheit geplagt sind, bekommt das Stück eine neue Dimension, einen neuen Aufhänger. Es sind nicht mehr irgendwelche politisch linken Gruppen, die einen Systemumsturz provizieren wollen, das macht die globalisiert-vernetzte Welt mittlerweile auf selbstzerstörerische Weise ganz von selbst.

Dennoch: frenetischer Applaus war dem jungen Ensemble garantiert.

Nächste Termine:

16., 17., 18. und 19. Oktober, 20:00 Uhr, Rabenhof-Theater, 1030 Wien

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