Der globale Siegeszug des Energydrinks Red Bull hat Dietrich Mateschitz zum mit Abstand reichsten Österreicher gemacht.
Die Aufputschlimonade war zwar nicht seine Erfindung, aber mit Gespür für den außerhalb von Asien nicht vorhandenen Absatzmarkt und geschicktem Marketing baute er den Getränkekonzern zur Erfolgsstory und rundherum ein Sport- und Medienimperium auf. Am Samstag ist der medienscheue Milliardär nach kurzer, schwerer Krebserkrankung mit 78 Jahren gestorben.
Der gebürtige Steirer - er wurde am 20. Mai 1944 in St. Marein im Mürztal geboren - wuchs weitgehend ohne Vater auf und studierte auf der Wiener Hochschule für Welthandel, der heutigen Wirtschaftsuniversität, Betriebswirtschaft. "Zwei, drei Jahre länger, als ich vielleicht hätte müssen", sagte der Sohn einer Lehrerin einmal. Nach seinem Uni-Abschluss war Mateschitz zunächst für Jacobs Kaffee und Blendax tätig. Beim Zahnpasta-Hersteller stieg er bis zum Marketingdirektor auf.
Im Zuge einer seiner Dienstreisen wurde er in Asien auf den Markt für Aufputschgetränke aufmerksam. Er sah Potenzial im Produkt und beschloss, es in Europa auf den Markt zu bringen. Mateschitz erwarb die Lizenzrechte am thailändischen Energydrink "Krating Daeng", auf Englisch "Red Bull", passte die Grundrezeptur dem westlichen Geschmack an und gründete gemeinsam mit der Herstellerfamilie Yoovidhya, die nach wie vor 51 Prozent der Konzern-Anteile hält, das Unternehmen. 1987 kam Red Bull hierzulande auf den Markt.
Der Jungunternehmer arbeitete vom Start weg massiv am Image seines Getränks, sponserte die alternative Clubszene und Extremsportarten und reinvestierte konsequent beachtliche Summen ins Marketing. Mit wachsendem Erfolg stieg er in den Breitensport ein: Heute betreibt Red Bull Fußballvereine, Formel-1-Rennställe sowie Eishockey-Mannschaften und unterhält Verträge mit mehreren hundert Athleten. Mateschitz war auch einer der reichsten Menschen der Welt. Das US-Magazin "Forbes" listete ihn 2022 mit einem Vermögen von 27,4 Mrd. Dollar auf Rang 51 im globalen Milliardärs-Ranking.
Während der stets leger gekleidete Jeans-Träger sein Unternehmen in den Mittelpunkt stellte, schränkte er den Informationsfluss über sich selbst ein. Zeitungsinterviews waren selten, TV-Interviews gab er - kurzes graues Haar, sonnengegerbte Haut - nicht. Mateschitz, der mit seiner Langzeit-Freundin in Salzburg lebte, sagte vor Jahren einmal, selbst am Tag zehn bis zwölf Dosen Red Bull zu trinken.
"Didi", wie ihn Freunde nannten, galt als Gönner und war Mitbegründer der Stiftung "Wings for Life", die Querschnittslähmung heilbar machen will. Im Jahr 2012 stellte er der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg für ein Forschungszentrum zu Rückenmarksverletzungen 70 Mio. Euro zur Verfügung - eine der größten Spenden, die in Europa je von einer Privatperson an eine Universität ging. Auch im Kleinen gab sich der Red-Bull-Boss großzügig. Einem Burschen, der ihm - ohne ihn zu erkennen - einmal in einem Musikgeschäft etwas auf der Ziehharmonika vorspielte, bezahlte er kurzerhand eine neue "Steirische".
Doch der Mäzen und Menschenfreund hatte eine zweite Seite. An seinen Launen hingen mitunter Schicksale. Als Mitarbeiter von ServusTV im Jahr 2016 gegen seinen Willen einen Betriebsrat gründen wollten, drehte Mateschitz den Sender von einem Tag auf den anderen zu. 264 Mitarbeiter standen vor dem Aus - bis sich der Red-Bull-Boss doch überzeugen ließ, den Sender weiterzuführen. Nach breiten Beteuerungen der Belegschaft wohlgemerkt, dass es keinen Betriebsrat geben werde.
Mit seinen politischen Ansichten hielt sich Mateschitz lange zurück - bis er 2017 in der "Kleinen Zeitung" heftige Kritik am Umgang der Regierung mit der Flüchtlingskrise äußerte. Er kritisierte die Scheinheiligkeit der "Wir schaffen das"-Rufer, teilte gegen die Grünen aus und lobte Sebastian Kurz, damals Außenminister. Von einer Wahlempfehlung für ÖVP und FPÖ war nach dem Interview vielerorts die Rede. Und ServusTV hätte sich wohl nie als Plattform für Rechte, Corona-Leugner und Impfkritiker einen Namen gemacht, hätte Mateschitz das nicht gutgeheißen. Dahingestellt sei, ob aus ideologischen Gründen oder aus Marketing-Kalkül: Der Sender meldete jüngst Quoten-Rekorde.
Mateschitz gehört mit Laucala (Republik Fidschi) eine Privatinsel im Südpazifik, er fiel aber stets mit einer tiefen Verbundenheit zum alpinen Kulturraum auf. Davon zeugt nicht nur die Ausrichtung seines TV-Senders und der Zeitschriften- und Buchverlage. Er besitzt zahlreiche Wirts- und Gutshäuser, erwarb Schlösser, Hotels und eine Brauerei - und ließ sie liebevoll renovieren. Ihm gehören Wälder, Weinberge, Fischteiche, Betriebe wie eine Edel- und Natursteinschleiferei, ein Sportflugplatz - und seit dem Vorjahr die Therme Fohnsdorf in der Steiermark. Die Heimatverbundenheit freut auch das Finanzamt: Red Bull zahle seine Steuern in Österreich - 2020 rund 405 Mio. Euro - und bediene sich keiner windigen Konstrukte mit Sitz in Panama oder auf den Cayman Islands, sagte Mateschitz einmal.
2014 holte "Mr. Red Bull" die Formel 1 in die Steiermark zurück und war dort Partner des Bundesheers bei der Flugshow Airpower. Damit sorgte er für Impulse in einer Region, die unter dem Niedergang der Schwerindustrie besonders gelitten hat. Von seiner Leidenschaft für schnelle Autos und Flugzeuge zeugen auch die "Flying Bulls", eine Flotte historischer Flugzeuge und Hubschrauber und der "Hangar 7" am Salzburger Flughafen.
Offene Kritik an Mateschitz gab es selten, selbst Mitarbeiter, die aus dem Konzern ausgeschieden sind, sagten kaum Negatives. "Er ist Herrscher über ein geschlossenes System, eine abgeschirmte Welt, aus der nur die Lust der Sportler, die Leidenschaft für das Risiko und die Gier nach Erfolg nach außen dringen sollen", schrieb die deutsche Tageszeitung "FAZ" einmal. Der Apparat bietet Mitarbeitern viel, verlangt ihnen aber auch viel ab. Wegbegleiter lobten Mateschitz als freiheitsliebenden Visionär, der seine Ideen konsequent zu verwirklichen trachtete und dabei nichts dem Zufall überließ. Die wichtigen Entscheidungen im Konzern traf er bis zuletzt selbst.
Unklar ist, welche Folgen sein Tod für das Red-Bull-Firmenreich hat. Als möglicher Nachfolger gilt sein einziger Sohn Mark. Der 30-Jährige (geboren am 07. Mai 1992) entstammt einer früheren Beziehung von Mateschitz, hat mittlerweile dessen Nachnamen angenommen und trat zuletzt als Geschäftsführer einer Beteiligungsgesellschaft des Vaters auf. Laut einem Bericht des deutschen "Manager Magazin" sah der Gesellschaftervertrag der Red Bull GmbH zumindest zu Mateschitz' Lebzeiten vor, dass ohne das Okay des thailändischen Mehrheitseigentümers weder die Entscheidung über einen Nachfolger als Geschäftsführer noch die Weitergabe seiner Anteile möglich sind.