"Es ist absolut beschämend"

Steve McCurry über Terror in Afghanistan

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Steve McCurry bei Ausstellung in Graz - "Phänomenale Vergeudung von Menschenleben und Chancen."  

Er war nach eigener Aussage rund 30 Mal in Afghanistan, sein Foto von einem afghanischen Flüchtlingsmädchen mit stechend grünen Augen ging um die Welt. Der US-amerikanische Starfotograf Steve McCurry sprach bei seinem Besuch der aktuellen Fotoschau mit 126 seiner Werke in der Grazer Messehalle mit der APA über die gegenwärtige Lage in Afghanistan.

Desaster

Was dort jetzt passiere, sei sehr leicht vorauszusehen gewesen, meint McCurry. "Ich war das letzte Mal 2016 in Afghanistan. Die Zeichen waren unübersehbar. Menschen mit Geld und Möglichkeiten verließen das Land schon damals." Die Gründe für das Desaster sieht der 71-jährige Fotograf unter anderem in den einheimischen Stammesstrukturen und den Einmischungen anderer Länder. Dazu kämen "Gier, Nachlässigkeit beim Einholen von Informationen, Arroganz und Selbstüberschätzung" bei den Akteuren.

Phänomenale Vergeudung

"Das Erstaunliche ist, dass exakt das gleiche der Sowjetunion vor 30 Jahren passiert ist", so McCurry. "Wir haben einfach nicht aus der Vergangenheit gelernt. Ich denke an die tausenden Schulen und Spitäler, die auf der Welt gebaut werden hätten können für das Geld, das in Afghanistan zum Fenster hinaus geschmissen wurde. Am Ende war es eine phänomenale Vergeudung von Menschenleben und Chancen."

Machtübernahme

Was auf Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban nun zukomme, sei ebenfalls nicht schwer zu erraten: "Wir wissen, woran die Taliban glauben, wir wissen, wie sie zu Frauen stehen." Es gehe auch nicht um richtig oder falsch oder irgendeine Moral: "Die Taliban waren stärker, sie hatten die Leute auf ihre Seite. Die NATO und die Amerikaner haben verloren und das auf ziemlich erniedrigende Weise. Ich meine: sie verbrennen Dokumente in der Botschaft, fliegen mit Helikoptern herum und lassen die Leute im Stich, die ihnen geholfen haben. Es ist absolut beschämend."

Milliarden Dollar und Waffen

Die Fehler des Westens gehen laut McCurry bis in die frühen 1980er Jahre zurück. "Wir wollten, dass die Sowjetunion dafür zahlt, was sie in Afghanistan gemacht hat. Wir haben der Opposition, den Mujaheddin, Milliarden Dollars und Waffen gegeben." Es sei dem Westen nur darum gegangen, die Sowjetunion zu erniedrigen. Um Wiederaufbau oder Hilfe für Afghanistan sei es dem Westen nie gegangen.

Mit Sharbat Gula, jener 49-jährigen Frau mit den grünen Augen, die er erstmals 1984 als Mädchen und ein zweites Mal 2002 porträtierte, sei er noch lose in Kontakt, verrät McCurry. In der aktuellen Situation sei es aber schwierig, zu wissen, wie es ihr gehe. Von der Präsentation seiner Bilder in Graz in Form von monumentalen, inwendig beleuchteten Displays zeigte sich der US-Fotograf sehr angetan: "Die Art, wie man die Bilder betrachtet, das finde ich interessant. Es ist einzigartig. Es gefällt mir."
 

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