Sie starb mit 90 Jahren in ihrem Pariser Zuhause.
Agnes Varda ist gestorben. Die kleine Grande Dame des Autorenkinos verstarb in der Nacht auf den heutigen Freitag im Alter von 90 Jahren an Krebs, wie ihre Familie mitteilte. Damit muss sich der internationale Film von der "Großmutter der Nouvelle Vague" - so der inoffizielle Ehrentitel der rührigen Regisseurin - verabschieden.
Schließlich konnte sich die am 30. Mai 1928 in Brüssel geborene Tochter eines Griechen und einer Französin im Laufe ihrer über 60 Jahre währenden Karriere beinahe alle relevanten Auszeichnungen ihres Metiers sichern - vom Goldenen Löwen in Venedig über einen Europäischen Filmpreis, von der Goldenen Palme von Cannes bis zum Ehrenoscar. Sie beeinflusste mit ihrem neuen Blick auf Narrationsstränge das Schaffen der Nouvelle Vague und blieb ungeachtet ihres Erfolgs eine bescheidene Künstlerin. Sie sei eine kleine Königin am Rande des Kinos, hatte sie einst der dpa beschieden. Eine kleine Königin, die in ihrem Werk meist auf Menschen abseits des Wohlstandsweges blickte.
Geboren wurde Varda in Brüssel, sie flüchtete jedoch während des Zweiten Weltkriegs mit ihren Eltern nach Südfrankreich. Nach der Schule wechselte sie nach Paris, wo sie unter anderem Kunstgeschichte studierte und auf eine Karriere als Restauratorin hinarbeitete. Alsbald begann jedoch ihr Interesse für die Fotografie zu wachsen. Unter anderem bereiste sie als Fotoreporterin für verschiedene Medien die Welt.
Vom statischen zum Bewegtbild wechselte Varda dann Mitte der 1950er, als sie mit dem semidokumentarischen Kurzfilm "La Pointe Courte" ihren Einstand gab. Der Durchbruch als Filmemacherin folgte 1962 mit einem Filmessay über die Zeit: "Cleo - Mittwoch zwischen 5 und 7". Ihren vielleicht größten Erfolg erzielte die Cineastin abseits ausgetretener Erzählpfade mit "Vogelfrei", in dem sie eine Landstreicherin porträtiert, die letztlich erfriert. Dafür wurde Varda 1985 als erste Frau in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.
Zugleich spielte der Film nicht nur in Vardas Berufsleben eine herausragende Rolle, war sie doch seit Ende der 1950er-Jahre mit ihrem Berufskollegen Jacques Demy zusammen, bis dieser 1990 verstarb. Varda selbst blieb mit ihrer markanten Pagenfrisur bis zuletzt rührig als Künstlerin. 2017 präsentierte sie in Cannes ihr gemeinsam mit dem Street-Art-Künstler JR entstandenes Werk "Augenblicke: Gesichter einer Reise". Dafür war sie mit einem Fotomobil durch das ländliche Frankreich gereist und hatte mit Arbeitern und Bauern gesprochen sowie deren Porträts auf Fassaden angebracht. Bei den Oscars 2018 war sie damit als ältester Mensch überhaupt nominiert und erhielt immerhin einen Ehrenoscar. Noch bei der heurigen Berlinale legte die Filmemacherin ihr autobiografisches Werk "Varda par Varda" außer Konkurrenz vor. Das Werk stellt nun gleichsam das filmische Vermächtnis einer großen Künstlerin des Kinos dar.