»Anna Bolena« an der Wr. Staatsoper.
Oper. Die russische Primadonna Anna Netrebko ist wieder in Wien und hat am Freitag an der Staatsoper als Anna Bolena einen triumphalen Erfolg gefeiert. Donizettis 1830 uraufgeführte Belcanto-Schnulze erzählt von der unglücklichen englischen Königin, die ihr Gemahl Henry VIII. hinrichten lässt. Die Anna, eine Paraderolle von Stars wie Maria Callas oder Edita Gruberova, liegt Netrebkos abgedunkeltem und gutturalem Timbre, das seine Schönheit eher in den gefühligen Passagen offenbart als in den virtuosen Koloraturen, ideal.
Wie schon bei der Premiere der unsäglich schlechten historistischen Inszenierung von Eric Génovèse, die weder über Personenführung noch Musikalität, dafür über bombastische Kostüme verfügt, gibt es zwei Höhepunkte, in denen Netrebko ihre Kunst voll ausspielen kann:
Strahlend. Der erste ist Annas Verhaftung durch die Schergen des Königs, wenn sie in fassungsloser Wut die Rufe „Giudici! Ad Anna“ herausschleudert und das Ende des ersten Akts mit einem strahlenden hohen Des krönt. Atemberaubend ist die finale Wahnsinnsszene, die Netrebko mit einem kleinen Mädchen im Arm singt: Die klagende Cavatina Al dolce guidami koloriert sie mit allen Farben des Wehlauts, die Cabaletta Coppia iniqua mit der Kette aufsteigender Triller wird zu einem Belcanto-Triumph.
Enttäuschend. Luca Pisaroni ist ein toller König, ruchloser Machtmensch und leidenschaftlicher Verführer, Margarita Gritskova macht als verliebter Page Smeton gute Figur. Enttäuschend: Celso Albelo als Percy und Ekaterina Semenchuk als Giovanna Seymour.