Neues Buch

Otto Schenk: Amüsantes vom "Bücher-Diktator"

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„Ich kann’s nicht lassen“, der neue Bestseller vom König der Komödie, Otto Schenk.

Otto Schenk ist nicht nur als Schauspieler ein unübertroffener Publikumsliebling und hat als Opernregisseur Weltkarriere gemacht, er erweist sich nun, „im Greisenalter“, wie er sagt, auch als Schriftsteller als Megaseller.

Abgrund

Der König der Komödie, hinter dessen Genie der Lustigkeit stets der Abgrund lauert, brilliert derzeit in den Kammerspielen der Josefstadt im melancholischen Lachtheater Schon wieder Sonntag des Londoner Sitcom-Schreibers Bob Larbey als körperlich hinfäl­liger, witziger, boshafter Cooper, der seit dem Tod seiner Frau im Altersheim lebt, mit seinem vergesslichen Freund Aylott (Harald Serafin) Schach spielt und die süße Krankenschwester Wilson (Hilde Dalik) liebt. Daneben begeistert er mit Michael Niavarani im improvisierten Pointenfeuerwerk Zu blöd, um alt zu sein im Globe Wien.

Unsterblich

An der Wiener Staatsoper sind seine unsterblichen Inszenierungen – Der Rosenkavalier, Der Liebestrank, Fidelio, Die Meistersinger von Nürnberg, Die Fledermaus sowie seine 2014 entstandene, in einem geheimnisvollen Wald auf Stelzen spielende, märchenhafte Deutung von Janáčeks originellster Schöpfung Das schlaue Füchslein – im Repertoire.

Nun ist im Amalthea Verlag der jüngste literarische Wurf des multipel begabten Tausendsassas erschienen: Ich kann’s nicht lassen heißt sein 7. Memoiren-Band, eine Sammlung von geistreichen und witzigen Anekdoten aus dem ereignisreichen Leben des rhetorisch brillanten Wiener Weltbürgers.

ÖSTERREICH: Ihr Buch ist wieder keine Autobiografie …

OTTO SCHENK: Ich finde Schauspieler-Autobiografien grässlich, so etwas werde ich nie schreiben. Ein ganzes Leben ist doch furchtbar fad, ich werde ganz traurig, wenn ich so etwas lese. Nicht einmal der Alltag von Genies wie Bach oder Beethoven interessiert mich. Spannend sind doch nur die genialen Momente, aus denen die großen Werke entstehen. In meinem Leben gibt es nur einzelne blitz­artige Glücksmomente und dazwischen lange Epochen, in denen nichts passiert. Das ist wie ein Fußballspiel, das ist fast nur fad, und dann kommen ein paar spannende Momente. Ich würde nie in ein Stadion gehen, erstens weil ich mich davor fürchte, dass die Anhänger mir auf den Kopf hauen oder mein Auto zertrümmern, und zweitens weil ich diese unangenehmen Längen nicht aushalte.

ÖSTERREICH: Was bedeutet „Ich kann’s nicht lassen“?

SCHENK: Das ist meine späte Sucht zu formulieren, ein Sprudel in mir, der mich mitreißt. Ich untersuche Kleinigkeiten und wage es, große Sachen anzutasten. Das neue Buch ist wieder ein Kind von mir, ein Kaleido-skop meiner Zustände, Wege und Irrwege. Diesmal sind es Stichwörter, Dinge, die mich gestochen haben wie Bremsen oder Mücken, Geschichten aus dem Theater und aus dem Leben, Menschliches und Unmenschliches. Meine Beobachtungswut, meine Sucht, Blamagen und Schwächen auf die Schliche zu kommen, und meine Formulierungssucht ergeben komi­sche, tragische, boshafte Erzählungen von den Schwierigkeiten des Lebens. Immer amüsant und volkstümlich; ich möchte amüsieren und bin ein Freund des Verständlichen, da greife ich sogar Kant an bei aller Verehrung.

ÖSTERREICH: Sie haben spät zu schreiben begonnen …

SCHENK: Eigentlich wollte ich Dichter werden. Ich habe als 16-jähriger pubertärer Jüngling Gedichte verbrochen. Nach der Matura bin ich mit einem Koffer aufs Land gefahren, um ein Buch zu schreiben, die Geschichte meines Lebens (lacht). Da bin ich vor der Wüste eines leeren, weißen Papiers gesessen, und mir ist nichts ein­gefallen. Ich war dann sehr froh, dass mein Cousin aufgetaucht ist und wir zusammen blödelnd den Sommer verbracht haben. Nach der Aufnahmsprüfung ins Reinhardt-Seminar hat das eine Talent das andere aufgefressen. Im Zuge meiner direktorialen Verbannung an der Josefstadt hat meine Sekretärin mich gezwungen, die Briefe, die ich bekommen habe, zu beantworten. Ich habe ihr die Antworten diktiert, sie hat alle Briefe aufgehoben und mir zum Abschied die gesammelten Briefe in sechs Bänden geschenkt. Da hat man mein Formuliertalent gesehen, das man auch bei meinen Elogen und Trauerreden bemerkt hat. Jetzt, wo ich weniger spiele und nicht mehr inszeniere, gehört die Literatur zu meinen Greisen-Erfolgen. Ich diktiere Bücher, die sich sehr gut verkaufen, ich bin sozusagen ein Bücher-Diktator.

ÖSTERREICH: Aber Sie spielen doch dauernd …

SCHENK: Ich spiele Rollen, wenn es sich ergibt. Ich hab zum Theater das Gefühl des Fisches zum Wasser. Ich hab mir nie Gedanken gemacht, ob ich gern Theater spiele und inszeniere, ich hab mich immer als Theater gefühlt, als theatralisches Ergebnis und als theatralisches Geschöpf. Ich hab nur in theatralischen Dogmen gedacht und gelebt, ich kann gar nicht raus, selbst wenn ich einmal aufhören werde zu spielen. Schon wieder Sonntag in den Kammerspielen und der Abend mit dem Niavarani sind immer ausverkauft. Das überrascht und freut mich. Ins Globe Theater kommen jedes Mal 1.000 Leute, bisher haben sich 12.000 Zuschauer bei unseren Blödeleien unterhalten. Im Akzent mache ich wieder meinen Soloabend Selten so gelacht mit den alten Sketchen, und mein Dirigier-Programm Humor nach Noten werde ich im Jänner wiederaufnehmen. Da spiele ich einen ­Dirigenten, denn Dirigent war immer mein Traum­beruf. Ich war dem Dirigenten immer neidig, weil er der Herrscher der Musik ist. Im Dezember kommt der Film Liebe möglicherweise von Michael Kreihsl ins Kino, in dem ich mit Norman Hacker Vater und Sohn spiele. Ich glaube, das ist sehr gelungen.

ÖSTERREICH: Warum inszenieren Sie nicht mehr?

SCHENK: Ich bin schon zu alt, das geht mir alles auf die Nerven. Ich kann und will Modeströmungen, die ich blöd finde, einfach nicht mitmachen.

E. Hirschmann-Altzinger

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