BuchWoche-Interview

Simon Beckett: Star der Kriminacht

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INTERVIEW: Thriller-King Simon Beckett liest aus „Verwesung“.

Dem aus der englischen Stahlstadt Sheffield gebürtigen Krimi-King Simon Beckett ist wieder ein großer Wurf gelungen. Sein jüngster forensischer Thriller um den Gerichtsmediziner David Hunter, Verwesung, in dem ein Serienmörder sein Unwesen treibt, rangierte monatelang auf den ersten Plätzen der Belletristik-Charts. Am Dienstag ist der sympathische Bestsellerautor Star der Wiener Kriminacht.

Infos zum Krimi-Marathon
Die 7. Wiener Kriminacht erzeugt am Dienstag (20. 9.) flächendeckend Hochspannung. Als Stargäste kommen Simon Beckett (er liest um 20 Uhr in der Fernwärme Wien aus seinem aktuellen Thriller Verwesung), Mary Higgins Clark (Ich folge deinem Schatten; 19.30 Uhr, Café Schwarzenberg) und Daniel Depp (Nächte in Babylon, 19.30 Uhr, Café Landtmann).

Auch Österreichs Krimi-Koryphäen sind – mit Stefan Slupetzky, Eva Rossmann, Ernst Hinterberger u. a. – gut vertreten. Alle Infos unter www.kriminacht.at

Die BuchWoche hat das Interview mit Simon Beckett:

ÖSTERREICH: Sie sind Stargast der Wiener Kriminacht. Was dürfen wir erwarten?
Simon Beckett: Ich werde mit dem Schauspieler Fritz von Friedl aus meinem vierten Hunter-Roman, Verwesung, lesen. Das Buch ist in zwei Teilen, also werde ich eine Passage aus dem ersten Kapitel lesen und dann den Anfang des zweiten Teils.

ÖSTERREICH: Waren Sie schon einmal in Wien?
Beckett: Das wird mein erster Besuch hier sein, aber ich habe natürlich gehört, dass Wien eine besonders schöne Stadt ist.

ÖSTERREICH: Sind Sie gern ein berühmter Autor, der die Welt bereist, um seine Bücher zu präsentieren? Oder sitzen Sie lieber in Ihrem Arbeitszimmer und schreiben?
Beckett: Ich mag beides. Schreiben ist eine einsame Tätigkeit, ich verbringe viel Zeit an meinem Schreibtisch. Also bin ich glücklich, dass ich an Orte wie Wien kommen kann, um meine Romane vorzustellen. Aber natürlich müssen diese Reisen mit meinem Zeitplan fürs Schreiben abgestimmt sein, sonst würde es keine neuen Bücher geben.

ÖSTERREICH: Ihre vier David-Hunter-Krimis sind Bestseller. Warum lieben die Leute Ihre Bücher? Weil sie gern Geschichten über verweste Leichen lesen?

Beckett: Der forensische Aspekt ist sicherlich faszinierend, aber ich hoffe doch, dass an meinen Büchern mehr dran ist als die Beschreibung von Verwesungsprozessen. Die forensische Anthropologie ist nur ein Element, starke Figuren und eine spannende Geschichte sind genauso wichtig. Und viele Leser können sich mit David Hunter identifizieren – das finde ich großartig.

ÖSTERREICH: Doktor David Hunter ist forensischer Anthropologe, kein Kommissar, wie in den meisten Krimis. Warum haben Sie sich für den wissenschaftlichen Aspekt des Todes entschieden?
Beckett: Die Inspiration dafür kam durch meinen Besuch der Body Farm in Tennessee, wo ich über wissenschaftliche Studien von postmortalen Veränderungen recherchierte. Diese gerichtsmedizinischen Lehrgänge werden von Polizeibeamten besucht. Ich war beeindruckt von der Arbeit der forensischen Anthropologen und beschloss, das in einem Roman zu verwenden – mit einer englischen Hauptfigur und einem englischen Setting. Es wäre sicherlich leichter, wenn Hunter Polizist oder Detektiv wäre, weil er dann direkt in die Ermittlungen eingebunden wäre. Dann könnte er an die Türen von Verdächtigen klopfen und sie verhören. Aber es gibt schon so viele Krimis in dieser Art, und manche sind sehr gut, also wollte ich etwas anderes versuchen. Es schien mir interessanter, einen Wissenschaftler zu meinem Helden zu machen, einen Arzt, der sich als Gerichtsmediziner mit den Toten beschäftigt.

ÖSTERREICH: Forensische Thriller sind heutzutage sehr in Mode. Sind Sie verantwortlich für diese Entwicklung?
Beckett: Nein, ich kann diesen Erfolg nicht auf meine Fahnen heften. Zweifellos ist das forensische Genre in den letzten Jahren sehr populär geworden, aber das liegt wohl auch daran, dass die Forensik eine relativ junge Wissenschaft ist und sich immer noch weiterentwickelt. Also bot sie den Krimiautoren eine noch nicht angezapfte Vene; eine, auf die ich durch Zufall stieß, als ich als Journalist auf der Body Farm war. Es mag sein, dass ich zur Popularisierung des Genres beigetragen habe, aber ich habe es nicht erfunden.

ÖSTERREICH: In „Verwesung“ geht es mehr um psychologische Aspekte und Hunters Vergangenheit als um Verwesung. Interessieren Sie sich nicht mehr für postmortale Veränderungen?
Beckett: Oh ja, natürlich interessiert mich das noch immer, aber ich glaube eben, dass die Hunter-Romane mehr sind als eine Leichenschau. Ich versuche, jedes Buch anders zu machen, und weil der dritte Band, Leichenblässe, auf der Body Farm spielt und grausliche Beschreibungen von Leichen enthält, wollte ich das in Verwesung nicht wiederholen. Hunter nimmt hier teil an einer Ermittlung, bei der die Leichen im Torf konserviert worden sind und wo er nicht seine üblichen Fertigkeiten anwenden kann. Ich wollte außerdem mehr über Hunters Vergangenheit enthüllen, also hat das Buch einen anderen Ton.

ÖSTERREICH: Am Anfang beschreiben Sie den mutmaßlichen Mörder Jerome Monk als regelrechtes Monster, am Ende stellt sich aber heraus, dass er ganz anders ist. Enttäuschen Sie gern Erwartungen?
Beckett: Jerome Monk ist eine erschreckende, gewalttätige Gestalt, aber er ist, wie viele andere Figuren in dem Roman, nicht so geradlinig, wie er scheint. Es ist ein wichtiges Element in jedem guten Thriller, mit den Erwartungen der Leser zu spielen. Zu glauben, dass eine Sache so abgelaufen ist, um dann zu enthüllen, dass alles ganz anders war, ist ein wesentlicher Teil des Geheimnisses.

ÖSTERREICH: David Hunter ist ein ziemlich depressiver Held. Mögen ihn die Leser vielleicht wegen seines Unglücks?
Beckett: Ich würde sagen, dass Hunter eher melancholisch als depressiv ist. Bei der Tragödie, die er erlebt hat (seine Frau und seine Tochter sind gestorben, Anm. der Redaktion), war das auch zu erwarten. Hätte er seinen Verlust völlig überwunden, würde ihn das härter und weniger sympathisch machen. Also ich denke, dass sich die Leser eher mit ihm identifizieren, weil er verwundbar und fehlbar ist, als mit einem hart gekochten Superman, der immer alles richtig macht. Aber ich möchte nicht, dass er depressiv wird. Dann würde es mir keinen Spaß mehr machen, die Bücher zu schreiben, und die Leser würden sie nicht mehr gern lesen.
 

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