Wiener Festwochen: Die Premiere von Rihms Oper "Jakob Lenz" im Wiener Museumsquartier. Eine Kritik von Karl Löbl.
„Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg … Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte.“ Büchners Novelle porträtiert den Goethe-Zeitgenossen Jakob Lenz, der ein Dichter war und dem realen Leben abhanden kam. Der Text ist eine frappierende Vorwegnahme der Psychoanalyse. Er beschreibt innere Unruhe und spiegelt sie in Bildern einer naturnahen Umwelt.
Musik
Wolfgang Rihms Musik entspricht dieser Wortkunst. Ein
kleines Orchester (sechs Bläser, drei Celli, Cembalo, Schlagzeug) und ein
Vokalsextett kombinieren Rezitative, Madrigale, expressionistische Klänge
und die Stimmen, die Lenz zu vernehmen glaubt. Drei Solisten verkörpern die
Personen der Novelle, aus der Michael Fröhling ein taugliches Libretto
komprimierte.
Diskretion, Zurückhaltung, mehr Andeutung als Ausführung wären der szenischen Realisierung dieser 30 Jahre alten Kammeroper gemäß. Solche Tugenden sind Frank Castorfs Sache nicht. Er belastet das Stück mit aufdringlichen Äußerlichkeiten, mit dem, was man im Filmgeschäft „Action“ nennt, mit technischem Gerät, und er fügt zwei plumpe Sprechszenen ein, die dramaturgisch unsinnig sind.
Spiel
Auf der Spielfläche beeindrucken die Genauigkeit des
Dirigenten (Stefan Asbury), die Präzision des Sängers Wolfgang Bankl, vor
allem aber Georg Nigl als Lenz. Ihm gelingt die vollkommene Übereinstimmung
von gesungenem Text und intensiver Körpersprache. Sein Bariton lässt auch
artifizielle Phrasen natürlich wirken, sein Spiel und sein vokaler Ausdruck
vermögen zu erschüttern. Jede bloße Theatralik ist vermieden.
Bei ihm ist Castorfs Personenregie überzeugend.