Nieder mit der GbR

Blumentopf: Antihelden Mitte dreißig

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Interview: Die Münchner HipHop-Legenden melden sich mit neuem Album zurück.

Zwanzig Jahre gibt es nun schon die Münchner HipHop-Pioniere „Blumentopf“ rund um DJ Sepalot und die MCs Cajus, Roger, Schu und Wunder. Zum Band-Jubiläum kommt ihr neues Album „Nieder mit der GbR“ heraus, das einerseits viele gesellschaftskritische Töne enthält, und dennoch den Unterhaltungsanspruch der Gentleman-Rapper nicht zu kurz kommen lässt.

Fußballhelden
Ganz Deutschland kennt ‚Blumentopf‘ durch ihre „Raportagen“, mit denen sie seit 2006 die Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft bei Welt und Europameisterschaften für die ARD kommentieren. Deswegen mag es nicht leicht fallen Blumentopf als die „Antihelden“ zu sehen, die sie im gleichnamigen Opener zum Album ‚Nieder mit der GbR‘ (erscheint am 21.9.) darstellen wollen. Durch ihr soziales Engagement haben „Blumentopf“ Vorbildwirkung erlangt und pfeifen auf Rapper, die Sexismus, Battle-Raps und Drogenverherrlichung zum Hauptinhalt ihrer Musik machen.

Brav ist geil
Mit perfekten MC-Skills und Beats allerfeinster Güte zeigen „Blumentopf“ auch nach 20 Jahren im Musik-Business vielen Jung-Rappern, wo’s lang geht. Neben klassischen HipHop-Tracks mit Oldschool-Samples aus Funk, Jazz und Soul, gibt es auch Melodien, die das Potential zu richtigen Stadion-Krachern haben: „Bin dann mal weg“ und „Rosi“ zählen definitiv dazu. Wer jedoch auf tiefgreifende Sozialkritik in „Nieder mit der GbR“ hofft, wird vielleicht etwas enttäuscht. Die Erklärung für manch Textzeile ergibt am Ende des Zuhörens ein ganz anderes Bild, als man annehmen möchte.

Wir trafen Schu und Roger zum Interview in Wien

society24: „Nieder mit der GbR“ heißt euer neues Album. Die Abkürzung GbR steht für Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Was steckt hinter dem politisch klingenden Titel? Wollt ihr auf prekäre Arbeitsverhältnisse in der Kreativ-Branche anspielen? 

Schu: Nur auf die prekären Arbeitsverhältnisse in der Blumetopf GbR. Das ist keine Kritik an irgendwas anderem, sondern nur an uns. An dieser GbR, an dieser Arbeitsform. Wir sind eine Band, machen Musik und müssen uns auch mit vielen geschäftlichen Dingen auseinandersetzen. Als fünf gleichberechtigte Chefs, was nicht immer einfach ist. Das steckt in diesem Titel. Nieder mit der GbR, es lebe die Band. Also, den ganzen Business-Kram aus dem Studio raus halten und Musik machen. Es müsste eigentlich heißen "Nieder mit der Blumentopf GbR".

Blumentopf
© scoiety24.at

society24: "Antihelden" ist der Opener des Albums, in dem ihr klar macht, wo ihr steht und warum ihr noch immer Musik macht. Seid ihr wirklich noch immer dieselben Antihelden, wie beim Eintritt ins Musikbusiness?

Roger: Ich finde wir sind wirklich noch dieselben imagemäßig. Klar sind wir älter geworden. Klar sind wir nicht die Jungs aus dem Reihenhaus sondern aus der Innenstadt. Imagemäßig sind wir die gleichen geblieben und da sehe ich uns schon irgendwie als Antihelden in der Hip-Hop Szene.

Schu: Das Grundding ist dasselbe geblieben. Für was wir stehen und was wir representen. Dieses Antihelden-Ding ist etwas, womit wir uns sehr wohl fühlen. Wir sind nicht wie die großen Superstars, die zur Tür rein kommen und „Yeah“ schreien. Wir sagen eher, wir sind cool, lass und zusammen rocken und dann feiern, danach noch was trinken und gut unterhalten. Das ist unser Ding so.

society24: Politische und gesellschaftliche Themen anzusprechen, ist ein Markenzeichen eurer Musik. Auf „Nieder mit der GbR“ gibt es ein paar Nummern, die diesen Anspruch besonders stark nachkommen. „Alles im Lot“ ist neben „Eurovision“ einer der politischeren Texte aber dennoch relativ unaufgeregt , fast schon beruhigend. Glaubt ihr, dass Aufrütteln im klassischen Stil gar nichts mehr bringt?

Roger: Für mich ist schon Unterhaltung was wir machen mit der Musik, aber es gibt auch kritische Unterhaltung. Alles im Lot soll eher den Widerspruch zeigen. Es ist nicht so, dass alles wirklich im Lot ist. Im Song geht es darum, dass alles normal aussieht, wenn man nur in eine Richtung guckt. Wenn wir politische Themen machen, versuchen wir das auf unsere Sicht zu machen und nicht mit dem Zeigefinger. In Wirklichkeit sagt 'Alles im Lot' ganz gut, dass eigentlich gar nicht alles im Lot ist.

Roger: Im Song 'Eurovision' geht es ganz klar um den personifizierten Euro, als ob der Euro ein Freund von uns wäre. Was der Euro so macht, was dem Shuh sein Euro macht oder meiner. Eurovision hat kritische Ansätze. Aber es geht auch darum, dass der Euro selbstkritisch ist. Also, für unnütze Sachen gebe ich Geld aus, aber ich finanziere mit meinen Steuern auch Sachen, die ich nicht finanzieren will. 'Eurovision' ist eher eine Aufzählung und soll den Wahnsinn näher zeigen.

society24: Battle-Raps spielen bei euch eine untergeordnete Rolle. Im neuen Album gibt es zwei , drei Nummern in denen ihr manchen Rapper-Kollegen ins Gewissen singt, wie bei „Kein Schu draus“, 

Schu: Klar ist es so ein bisschen. Man sollte nicht herumlaufen und versuchen sich als was anderes zu verkaufen, als man ist. Darum gehen diese Zeilen. Damit klage ich auch nicht großartig eine Gangster-Rap-Szene an. Das funktioniert so nicht. Wie machen nicht einen auf hart. Um das zu verstehen, musst du nicht mal Musiker sein. Das Lied passt für jeden anderen normalen Menschen auf der Straße auch. Versuch dich nicht als was anderes zu verkaufen, als du bist.

society24: Seid ihr dann so was wie Gentleman-Rapper. Was denkt ihr über „Poser“ wie Kay One oder Money Boy aus Wien?

Roger:  Moneyboy haben wir auch. Der lebt im Internet. Schu: Genau, der wohnt auf Youtube. Kann jeder machen was er will, aber ob wir das gut finden ist eine ganz andere Frage. 

Roger: Battle-Rapp kommt natürlich immer wieder vor. Manchmal  entsteht das einfach durch eine  gute Zeile, wo du dir sagst, den drop ich. Aber es war nie unser Antrieb zu sagen, wir machen Musik gegen andere Musiker. Das fände ich auch armselig mit Mitte dreißig. Wir wollen in unseren Songs schon von uns erzählen und nicht von jemand anderen, und wie er es nicht richtig macht. Dann lieber selber gut machen. Aber wenn ab und zu eine Zeile abfällt, ist das ganz witzig.

Schu: Oft ist es so, dass man eine Battle-Zeile hat, wo man irgendwas disst. Und dann schreibst du einen Text, damit du die Zeile unterbringen kannst, weil sie so stark ist.  

society24: „Nieder mit der GbR“ enthält auch schöne Stadien-Nummern, richtige Ohrwürmer zum Mitsingen wie „Ich bin dann mal weg“ und "Rosi". Wenn solche Melodien im Raum stehen und Massentauglichkeit spürbar wird, neigt ihr dann dazu eure Texte dem Mainstream anzupassen?

Schu: Ganz ehrlich, gerade bei dem Song ('Ich bin dann mal weg' ) haben wir einen Part genau aus dem Grund raus gekickt. Der Song war super stark, war eigentlich schon fertig und ich wollte unbedingt noch mitmachen. Und hab mir gedacht, ich muss es jetzt noch mal auf ganz anderes machen und eine Strophe geschrieben, wo ich quasi aus meinem eigenen Grab heraus rappe. Ist witzig, aber hat da nichts verloren. Da sind wir selber Musiker genug, zu wissen dieses Ding ist geil, das lassen wir so. Aber es ist nicht so, dass wir einzelne Zeilen für den Mainstream raus nehmen 

Roger: Ich bin dann mal weg' ist von der Melodie was größeres und dazu steht man dann auch. Für uns ist das kein negatives Ding, wo du sagst, oh Gott wir haben eine Melodie, die könnte ja im Radio laufen oder da könnte jemand mitsingen. Deswegen singen auch nicht wir und haben uns gesagt, lass uns den Pohlmann fragen. Und so hat das dann geklappt. Der Beat war einer der ersten, den uns Sebastian vorgespielt hat vom Album. Er war irgendwie geil und hat schon heraus gestochen. Es war klar, wenn wir den Beat nehmen, dann muss es auch so ein Song sein. 

society24: Im Video zu "Wunderbare Welt" rappt Cajus ziemlich scharf gegen gelackte Yuppies, die in Penthäusern leben während er als Tellerwäscher schuftet. Eine Textzeile etwa: Für dich gibt's lecker Essen für mich aufs Maul. Sind die Klassenunterschiede in München so eklatant?

Schu: Cajus ist der Chef dieser Spülküche( die im Video zu sehen ist). Seine Freundin hat ein Strand-Cafe an einem bayrischem Bergsee gepachtet und Cajus ist dort Mit-Chef. Der Song ist nicht als Sozialkritik zu verstehen. Passt natürlich gut zum Bild zu sagen, ha, du hast es geschafft und ich spül‘ hier die Gläser. Aber irgendwie so mit dem Finger zeigen, ist in Songs wie 'Rosi' schon auch wichtig. Gerade in der ersten Strophe. Auch der Song '3/4' zeigt auf, dass die Stadt München nicht in schwarz und weiß und arm und reich zu trennen ist.

Roger: Es ist wirklich so, dass viele denken das Video 'Wunderbare Welt' sei eine komische Metapher für irgendwas. Aber der Cajus macht das wirklich so im Strand-Cafe am Walchensee. Er arbeitet in der Spülküche, weil er nicht bedienen will. Das war für ihn natürlich der coole Gegensatz zum Liedaufhänger und passte perfekt zum Film. Uns geht's auf keinen Fall schlecht und auch nicht zu gut. Wir sind normale Münchner würde ich sagen. So ist der Durchschnitt ungefähr. Das Bild, das man von der Stadt hat, ist natürlich ein anderes. Wir fühlen uns wohl in  München. Es gibt einfach beide Seiten. Aber keine Feindschaft zu Yuppies.

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