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Grafenau wird zur höflichsten Stadt

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Freundliche Busfahrer, aufmerksame Ehemänner und brave Kinder.

Es hört sich an wie die Vision einer besseren Welt: Busfahrer begrüßen freundlich ihre Fahrgäste, Verkäuferinnen bedienen ihre Kunden mit einem Lächeln, Ehemänner überraschen ihre Frauen mit einem Blumenstrauß, Kinder bieten älteren Menschen einen Platz in der Bahn an, benehmen sich am Tisch und in der Schule. In einer Stadt in Niederbayern soll diese Vision nun Alltag werden. Die Deutsche Knigge Gesellschaft startet in Grafenau am Bayerischen Wald ein Pilotprojekt zum guten Benehmen.

Auf gutes Benehmen getrimmt
"Vier Tage lang werden die Bürger in Grafenau auf gutes Benehmen getrimmt", sagt der Vorsitzende der Deutsche Knigge Gesellschaft in Essen, Hans-Michael Klein. In enger Absprache mit dem Bürgermeister und dem Landrat kommen Experten aus ganz Deutschland, um Grafenau vom 18. bis 21. Oktober in die Hochburg des guten Benehmens zu verwandeln.

Lösung für viele Probleme

"Gute Manieren und höfliche Umgangsformen sind die Lösung für viele Alltagsprobleme", ist Klein überzeugt. Das Zusammenleben sei um ein Vielfaches angenehmer, wenn sich die Menschen mit Respekt und Freundlichkeit begegneten. Erwachsene sollten bedenken, dass ihr Benehmen auch Vorbild für Kinder sei. So bekomme er immer mehr Hilferufe von Lehrern, denen die Schüler auf der Nase herumtanzten.

Nachhilfeunterricht
An vier Tagen wird in Grafenau für alle Altersgruppen Nachhilfeunterricht erteilt. In den Schulen und Kindergärten bringen Knigge-Trainer den Kindern das Thema "Respekt" näher und eine Theatergruppe des Gymnasiums führt ein Stück über "Knigge" auf. Für die Erwachsenen gibt es ein Weinseminar und einen Kurs zum Benehmen im Ausland. Außerdem verpassen die Friseure im Ort ihren Kunden einen typgerechten Schnitt und in der Tanzschule gibt es Auffrischungskurse im Wiener Walzer. In einer Modenschau werden die schlimmsten Fettnäpfchen beim Dresscode aufgezeigt. Viele der Aktionen sind kostenlos.

"Grafenau ist nicht ausgesucht worden, weil die Bürger Nachholbedarf in Sachen Manieren nötig hätten", beteuert Bürgermeister Max Niedermeier (CSU). Da der Ort am Bayerischen Wald vor allem touristisch geprägt sei, gebe es jedoch immer etwas zu verbessern. "Vor allem Kinder sollten im Umgang mit ihren Eltern, Lehrern, Mitschülern und älteren Menschen auf einen Grundstandard gebracht werden", betont Niedermeier. So hofft der Bürgermeister, der sich selbst als nicht sattelfest in Sachen Knigge bezeichnet, dass bei den Menschen von dem Wochenende einiges hängenbleibt.

Signalwirkung erhofft

Der Benimm-Experte Klein erhofft sich von der Aktion eine Signalwirkung für ganz Deutschland. "Es gibt bereits mehrere Anfragen von Städten, die ebenfalls eine intensive Benimmschulung haben wollen." Welche das sind, will er aber nicht sagen. In großen Ballungszentren wie Berlin, Hamburg, München, Frankfurt oder Köln soll die viertägige Benimmschule zunächst nicht Station machen.

Mit dem "Knigge" verbinden die Deutschen höfliche Umgangsformen, gute Manieren bei Tisch und korrektes Auftreten. Dabei hatte der Schriftsteller Adolph Friedrich Ludwig Freiherr von Knigge in seinem Werk "Über den Umgang mit Menschen" von 1788 wenig über den Umgang mit Messer und Gabel und über Kleiderordnung geschrieben. In der von den Idealen der Aufklärung geprägten Sammlung lag sein Augenmerk vor allem auf dem achtsamen Umgang miteinander und mit sich selbst. Knigge wurde am 16. Oktober 1752 in Bredenbeck bei Hannover geboren. 1777 wurde er Kammerherr in Weimar und verfasste neben mehreren Romanen, Essays und Satiren auch Schriften zu Geschichte, Politik und Gesellschaft. Der Schriftsteller starb am 5. Mai 1796 in Bremen.
 

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