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Seit Juni Ansturm auf Scheidungsanwälte

30 Prozent mehr Scheidungen wegen Corona-Lockdown

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Das Coronavirus wird zur Belastungsprobe der Partnerschaft. Viele zerbrechen daran.

Aktuelle Statistik: Im Vorjahr ließen sich vier von zehn Ehepaaren scheiden. Insgesamt waren es 16.319. Die meisten Trennungen gab es in Niederösterreich (44,4 % Daten: Statistik Austria).

Heuer wird eine wahre Explosion dieser Zahlen erwartet. Der Lockdown war für viele Paare eine zu große Her­ausforderung. „Wir haben diesen Sommer einen Anstieg der Scheidungsrate um noch einmal 30 Prozent registriert“, sagt Clemens Gärner, Partner der Familienrechts-Kanzlei Gärner Perl.

Seine Erklärung: „Viele sind aufgrund des geballten Zusammenseins erst draufgekommen, dass sie diese Ehe keineswegs weiterführen wollen.“

SMS-Beweis

Beispiel aus der Kanzlei: „Eine Frau findet am Handy ihres Mannes eine ­verdächtige Nachricht. Damit konfrontiert, gesteht der Mann sofort, eine Beziehung zu haben. Er reagiert prompt und zieht aus. Ohne Lockdown wäre es wohl erst viel später oder nie dazu gekommen.“

Seit Mitte Juni ist die Nachfrage nach Scheidungsanwälten sehr deutlich angestiegen, so Gärner. Der Ansturm hat seitdem nicht mehr nachgelassen.

Auch Gewalt in der Familie nahm in der Isolation zu

Affären. Der Fachmann schätzt, dass Fremdgehen in 80 Prozent der Ehen der Grund für die Scheidung ist. Affären fliegen während der familiären Isolation rascher auf als in normalen Zeiten.

Besorgniserregend: „Die Fälle von Gewalt in der Familie sind in dieser Phase ebenso angestiegen“, sagt Anwalt Gärner.

Rückstau. An den Gerichten türmen sich bereits die Scheidungsakten. Die noch unerledigten Fälle werden immer mehr. „Verhandlungstermine für strittige Scheidungen gibt es im besten Fall erst im November, wahrscheinlicher ist nächstes Jahr“, so Gärner.

Therapeutin Jeloucan: "Im Lockdown kann man Probleme kaum verdrängen"

ÖSTERREICH: Überrascht Sie die Einschätzung, dass es so viel mehr Scheidungen gibt?

Doris Jeloucan: Überhaupt nicht. Wenn man sich vorstellt, sechs Wochen lang mit dem Partner eingesperrt zu sein, den man normalerweise wahrscheinlich nur am Abend sieht, ist es nicht ungewöhnlich, dass große Probleme aufkommen. Das merke ich auch bei mir in der Praxis – da sind es auch wahrscheinlich 30 % mehr Fälle.

ÖSTERREICH: Warum stresst uns die Situation so sehr – wir haben ja selbst entschieden, mit diesem Menschen zusammenzuleben.

Jeloucan: Die Probleme, die normalerweise unterschwellig da sind, die man aber im Alltag gut verdrängen kann, kommen im Lockdown verstärkt auf. Es ist für jeden schwierig im Erwachsenenalter, so lange mit jemanden zusammen zu sein.

ÖSTERREICH: Was können das für Gründe sein?

Jeloucan: Es können rich­tige Paar-Probleme sein, wo man etwa sagt: „Das habe ich dir noch nicht verziehen und jetzt, da ich dich jeden Tag sehe, erinnere ich mich andauernd daran und das ist zu viel.“ In normalen Zeiten kann man das verdrängen.

ÖSTERREICH: Kann der moderne Mensch sich nicht mehr richtig binden?

Jeloucan: Einige Forscher sagen, wir leben in einer bindungsunfähigen Generation. Manche meinen, schuld ist die Erziehung. Eine weitere Erklärung: Die Gesellschaft ist schuld, Bindung stellt vielfach keinen Wert mehr dar.

ÖSTERREICH: Was erwarten Sie bei einem 2. Lockdown?

Jeloucan: Ich glaube, es wird wieder einen großen Anstieg geben.

Aber auch Baby-Boom wurde ausgelöst

Viele Experten sagten dieses Phänomen voraus: Der Lockdown würde die Zahl der Schwangerschaften in die Höhe treiben. Ein ÖSTERREICH-Rundruf scheint diese Annahme zu bestätigen. Der prominente Frauenmediziner Johannes Huber: „Das Leben zu Hause wurde intensiver. Man hat mehr Zeit für Zuneigungen.“

Aus seiner Praxis berichtet DDr. Huber: „Die Schwangerschaften werden mehr.“ Konkrete Zahlen wird es freilich erst im nächsten Jahr geben.

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