Neue Studie zeigt, wofür Österreicher auf die Straße gehen.
In Österreich ist in den vergangenen 20 Jahren vor allem zum Thema Umwelt protestiert worden. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsprojekt des Politikwissenschafters Martin Dolezal von der Universität Wien. Die meisten Protestaktionen wurden im Jahr 2000 zum Antritt der ersten schwarz-blauen Koalition und im Jahr der Pensionsreform 2003 registriert.
In seinem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt analysierte Dolezal "Die österreichische Protestarena im 21. Jahrhundert". Ziel ist dabei die Rekonstruktion eines systematischen Gesamtbilds politischer Proteste und der thematischen Positionen der Akteure in den Jahren 1998 bis 2016.
Unter Proteste fallen in Studie auch Hausbesetzungen
Unter Proteste fallen dabei neben klassischen Demonstrationen auch etwa Unterschriftensammlungen, Hausbesetzungen und öffentliche Kundgebungen. Nicht einbezogen wurden dagegen Leserbriefe oder Postings in sozialen Medien. "Es musste eine Art von öffentlicher Handlung sein. Alles rein Verbale in einem normalen Setting, alles Schriftliche ist weggefallen - Ausnahme sind Unterschriftensammlungen. Da sind sowohl normale als auch Online-Sammlungen dabei", so Dolezal zur APA. Die Ereignisse selbst hat der Wissenschafter aus knapp 200.000 Meldungen der APA - Austria Presse Agentur sowie APA-Jahresrückblicken mittels Schlagwortsuche abstrahiert.
Insgesamt fanden demnach laut den vorläufigen Ergebnissen des Forschers zwischen 1998 und 2016 rund 8.500 Protestereignisse in Österreich statt (ohne Streiks und Betriebsversammlungen) - mit einem Höhepunkt im Jahr 2000 nach der Bildung der ersten schwarz-blauen Regierung (rund 850 Proteste) und einem zweiten im Jahr 2003 mit dem Beschluss der Pensionsreform (rund 650). Am wenigsten Proteste wurden in den Jahren 2004 und 2005 verzeichnet (jeweils rund 200).
Umwelt dominanter Protestgrund
Thematisch dominierte trotzdem die Umwelt als bedeutendster Protestgrund (21 Prozent, Mehrfachnennungen möglich) - wobei hier etwa auch die Proteste gegen Atomenergie und Gentechnik in der Landwirtschaft sowie die (allerdings oft kleinen) Aktionen von Tierschützern versammelt sind. Mit jeweils rund 15 Prozent folgten Proteste zu Fragen des Lebensstils und Wirtschaft, dann kamen Wohlfahrt (13 Prozent), Bildung (zwölf Prozent), Internationales (zehn Prozent) und Migration (neun Prozent).
Beim häufigsten Protest-Thema gibt es übrigens eine gewisse Kontinuität: Für eine Vorgänger-Studie hatte Dolezal schon Proteste in den 1970er- und 1980er-Jahren analysiert - zwar wurde dafür eine andere Methode verwendet, allerdings dominierte auch damals schon das Umwelt-Thema.
Analysiert wurde auch, wer in Österreich protestiert: "Da dominieren eher linke Gruppen", so Dolezal. Vor allem bei sozialen und wirtschaftlichen Themen engagierten sich diese. Anders dagegen beim Thema Migration, das ein eher neues Protest-Thema darstellt und 2015 und 2016 sowohl Linke als auch Rechte auf die Straße brachte.
Ebenfalls ausgewertet hat Dolezal, welche Parteien sich bei Protesten besonders hervortun. Spitzenreiter waren dabei die Grünen.
Laut den Daten des Wissenschafters zeichnet sich derzeit kein Rückgang von Protesten ab: "Vieles, was etwa in den Medien als dramatische und gefährliche Entwicklung, Stichwort Politikverdrossenheit, tituliert wird, hat nicht immer eine empirische Basis. Es gibt in der Bevölkerung immer noch ein hohes Interesse an Politik - auch wenn es für viele nicht das Wichtigste im Leben ist", so der Wissenschafter im Forschungs-Newsletter der Uni Wien.