Das Rauchverbot trat nach jahrzehntelanger Diskussion Donnerstag-Mitternacht in Kraft – Viele nahmen das als Anlass die 'letzte Tschick' zu feiern.
Wien. Es hat sich ausgequalmt in Österreich. Um Punkt Mitternacht ist in der Nacht auf Freitag nach jahrzehntelanger Diskussion, Ausnahmeregelungen und baulichen Maßnahmen das Rauchverbot in der gesamten Gastronomie in Kraft getreten. Zahlreiche Lokale zelebrierten zu Halloween die "letzte Tschick". In Wien kontrollierte das zuständige Marktamt unmittelbar ab Inkrafttreten die Einhaltung des Verbots.
Dies gilt auch für die Nachtgastronomie, nachdem deren Antrag, vom absoluten Rauchverbot ausgenommen zu werden, vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) abgelehnt wurde. Für die Missachtung drohen saftige Strafen: Die erste Anzeige kostet 800 Euro, die Höchststrafe beträgt 10.000 Euro bei Wiederholungstäterschaft. Auch Gäste können gestraft werden. Für widerrechtlich Rauchende sind beim ersten Mal bis zu 100 Euro fällig, im Wiederholungsfall bis zu 1.000 Euro. Offen sind Klagen von Betreibern von Shisha-Bars, die eine Ausnahme erreichen wollen. Mit einer Entscheidung wird nicht vor 2020 gerechnet.
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Gastronomen bangen um Existenz
Von der Umstellung betroffen sind vor allem Lokalbetreiber. Viele Gastronomen fürchteten bereits im Vorfeld um ihre Existenz und befürchteten Anzeigen wegen Lärmverstöße durch vor der Tür rauchende Gäste, andere freuten sich über die neue Rauchfreiheit. Die letzten Rauchzeichen und der letzte blaue Dunst stiegen Donnerstagabend auf. Mehrere Lokale in der Bundeshauptstadt feierten "den letzten Zug", "a letzte Tschick" oder die überhaupt "letzte Zigarette". Auch zum gemeinsamen Aufhören wurde aufgerufen.
Eine letzte gemeinsame Tschick wurde so etwa im Cafe "Schadekgasse 12" in Wien-Mariahilf geraucht. Wenige Minuten vor Mitternacht rief der Kellner dazu auf, beinahe alle Gäste zündeten sich noch eine Zigarette an. Um Punkt Mitternacht war damit Schluss, sofort wurden die Aschenbecher eingesammelt, rauchende Gäste vor die Tür verwiesen. Im wenige Meter daneben gelegenen "Futuregarden" wies ein Zettel an der Tür "liebe Gäste, liebe Freunde" darauf hin, dass aus Rücksicht auf die Nachbarn maximal vier Personen gleichzeitig vor dem Lokal rauchen dürfen. Auch in dieser Bar wurden exakt um Mitternacht die Aschenbecher eingesammelt und an Wände und Türen Nichtraucher-Pickerl angebracht. Die Kellner mussten in den ersten Stunden des neuen Tages dem Reflex widerstehen, Aschenbecher aufzustellen. "Es ist auf einmal viel weniger verraucht", konstatierte eine Lokalbesucherin bereits wenige Minuten nach Inkrafttreten des Rauchverbots.
Auch in der "Cuban Mojito Bar" in der Naglergasse in der Wiener Innenstadt war es Schlag Mitternacht vorbei. "Ich will keine Strafen riskieren", erläuterte die Chefin im Gespräch mit der APA. Der einst gut bestückte Humidor war beinahe leergeräumt, einige Gäste nahmen die letzten Zigarren mit. Geraucht wurde fast bis zur letzten Sekunde. Dann kam der Aschenbecher vor die Tür und wurde gut gesichert: "Heute ist Halloween, die Leute sind ein bisschen verrückt."
Vor Mitternacht waren nicht nur kubanische Tabakprodukte in aller Munde, sondern auch das Rauchverbot selbst. Die Fronten gingen quer durch Familien und Paare. "Ich mache mir Sorgen", sagte die Betreiberin der "Cuban Mojito Bar". "Der Umsatz wird sicher heruntergehen. Aber vielleicht normalisiert sich das in ein paar Wochen wieder." Ihre Tochter hingegen sah den gesundheitlichen Aspekt: "Für mich persönlich ist das gut. Ich merke, wie sich der Tabakkonsum auf meine Gesundheit auswirkt. Und weil hier viele Zigarren geraucht wurden, war das noch ärger. Das ist viel intensiver."
In der "Loos Bar" hatte die Chefin Marianne Kohn ähnlich agiert. "Punkt Mitternacht war es vorbei. Die Chefin hat uns hinausgebeten", schilderte eine Besucherin rauchend vor dem legendären Lokal im Kärntner Durchgang der APA. Vor der Bar war ein großer Sonnenschirm aufgespannt, um die Lärmentwicklung rauchender Gäste auf die Anrainer abzudämpfen.
Im Bermuda-Dreieck herrschte bereits kurz vor Mitternacht Hochbetrieb. Auf den Straßen tummelten sich neben vielen Kostümverweigerern auch etliche Zombies, blutverschmierte Krankenschwestern und Horrorclowns. Viele von ihnen rauchten bereits im Freien, da sich etwa das "Bermudabräu" dazu entschlossen hatte, schon vor Mitternacht keinen Zigarettenqualm in den Räumlichkeiten zuzulassen.
Ab Mitternacht: Raucher auf den Straßen
Nach dem offiziellen Inkrafttreten des Rauchverbots in der Gastronomie erhöhte sich die Zahl der Personen auf den schmalen Gassen merklich. Viele Raucher bevorzugten bis dahin die gut gefüllten, warmen Lokale. So wurde im "Kaktus", im "Krah Krah" sowie in der "Slammer Bar" das Recht auf eine Zigarette in vollen Zügen genossen. Kurz vor Mitternacht lichtete sich der blaue Qualm im "Kaktus" zusehends. Aschenbecher wurden vom Personal beinahe unauffällig entfernt - so manche widerrechtlich angezündete Zigarette landete in der Folge auf dem Boden. Eine Ankündigung, das Rauchen fortan bitte zu unterlassen, gab es nicht. Die Wende hin zu einer rauchfreien Gastronomie erfolgte unspektakulär.
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Die neue gesetzliche Lage drang nicht bis zu jedem "Kaktus"-Gast durch. Innerhalb von nur wenigen Minuten musste das Barpersonal mehrere Personen auf das Rauchverbot aufmerksam machen. Viele Gäste entschlossen sich daraufhin, ihre Zigarette auszudämpfen, wenige traten achselzuckend vor das Lokal. Zu Protesten kam es nicht. Ein junger Mann zog die Legalität der Bequemlichkeit vor und verabschiedete sich bereits kurz nach Mitternacht mit den Worten "Boah, i brauch a Tschick" nach draußen. Dort weisen gleich mehrere Schilder vor diversen Lokalen darauf hin, dass es hier Anrainer gebe und diese ein Anrecht auf eine ruhige Nacht hätten. Man möge sich bitte ruhig verhalten. Das nahmen sich nicht alle Feierwütigen zu Herzen, wobei ein markanter Teil des Lärms weniger von den Rauchern, als von umherziehenden Gruppen auszugehen schien. Sehr wohl verantworteten die Raucher hingegen eine rasch wachsende Anzahl an auf dem Kopfsteinpflaster der Wiener Innenstadt befindlichen Zigarettenstummeln. Mistkübel oder Aschenbecher vor den diversen Bars stellten einen seltenen Anblick dar.
Dichte Rauchschwaden fanden Gäste weit nach Mitternacht noch in einer nicht ebenerdig gelegenen Bar im Bermuda-Dreieck. "Der Arbeitstag hat am 31. Oktober für uns begonnen", erläuterte ein Kellner die Missachtung des Rauchverbots. "Daher sind wir der Meinung, dass heute Nacht noch geraucht werden darf."
Eine weniger eigenwillige Interpretation des neuen Gesetzes fand die APA in einem Shisha-Club in der Vorstadt, in diesem Fall in Floridsdorf in der Prager Straße, selbst wenn der Betreiber zugab, dass es gehöriges Zähneknirschen gab. "Ich lebe davon", sagte er. Nichtsdestotrotz hatte er rauchwillige Gäste um Mitternacht vor die Tür komplimentiert, fürchtete aber, dass es Anzeigen wegen Lärmerregung hageln wird. Nun, in dieser Nacht waren seine Besucher zumindest diszipliniert. Wie es für das Lokal weitergeht? "Ich schau mir an, wie sich der Umsatz in den nächsten Monaten entwickelt. Und dann entscheide ich, was ich weiter mache", sagte der Besitzer.
In Wien-Leopoldstadt wurde das neue Rauchverbot ebenfalls weitgehend eingehalten, wie nicht zuletzt anhand einiger Raucher vor diversen Bars und Tschocherln zu erkennen war. Aber auch hier setzten sich ein paar Unbelehrbare über das junge Gesetz hinweg. Im "Bricks" an der Taborstraße frönte so mancher Gast in einem entlegenen Raum noch dem Glimmstängel. Vor der Bar achteten Angestellte darauf, dass der Lärm nicht ausuferte, was meistens gut funktionierte. Vor einem kleinen Tschocherl in selbiger Straße versammelten sich verhältnismäßig viele Personen davor anstatt darin. Gegrölt oder geschrien wurde dennoch nicht. Ein junger Raucher zeigte sich auf das neue Rauchverbot in der Gastronomie angesprochen weitgehend unbeeindruckt: "A bissl frisch is es schon", meinte er angesichts der niedrigen Außentemperaturen. Wirklich stören würde es ihn jedoch nicht. Schließlich sei es nicht ganzjährig kalt und besser unterhalten könne man sich hier im Freien auch. Dass Letzteres mit etwas gutem Willen auch ohne übermäßigen Lärm geht, hat er jedenfalls bewiesen.
Erste Kontrolleure bereits unterwegs
In Wien war bereits im Vorfeld vor Kontrollen unmittelbar ab Inkrafttreten des Nichtrauchergesetzes gewarnt worden. "Schonfrist gibt es keine", adressierte die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) an die Gastronomen. Seitens des Marktamts, das in der Bundeshauptstadt gemeinsam mit der Gruppe für Sofortmaßnahmen für die Überprüfung des Gastro-Rauchverbots zuständig ist, hieß es im Vorfeld, man werde mit rund zehn Mitarbeitern stadtweit unterwegs sein.
In zumindest zwei oststeirischen Diskotheken - einer großen und einer etwas kleineren - hat das Rauchverbot nach Mitternacht kaum einen der Gäste interessiert. Die meisten Raucher qualmten einfach weiter, wurde der APA zugetragen. Nur vereinzelt gingen Leute extra ins Freie, um sich einen Glimmstängel anzuzünden. Das Personal dürfte ebenfalls nicht groß eingeschritten sein. Bei der Landespolizeidirektion Steiermark hieß es auf Nachfrage, dass keine Anzeigen eingelangt sind. Ein Sprecher betonte aber auch noch einmal, dass die Uniformierten weder für Kontrollen zuständig sind noch eine Handhabe hätten.
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Mit 1. November ging eine schier unendliche Geschichte zu Ende, die in den meisten europäischen Ländern bereits Realität ist. Diskutiert wird über ein Rauchverbot in Österreich bereits seit 25 Jahren, der Weg dorthin war steinig. Beschlossen wurde es dann 2015 von der rot-schwarzen Koalition, das Inkrafttreten war für Mai 2018 vorgesehen. Dieses Verbot kippte dann die türkis-blauen Regierung wieder. Nach dem Volksbegehren mit 881.692 Unterstützer machte die Ibiza-Affäre den Weg frei. Im Parlament wurde das Rauchverbot im Spiel der freien Kräfte gegen die FPÖ-Stimmen doch beschlossen.
Für die Gesundheit sollte das Rauchverbot rasch positive Auswirkungen zeigen - nämlich innerhalb einer Woche 623 Spitalsaufenthalte weniger. Der Grazer Sozialmediziner Florian Stigler hat die Erfahrungen anderer Staaten auf Österreich umgelegt. "Internationale Studien zeigten, dass eine rauchfreie Gastronomie Herzinfarkte um durchschnittlich 15 Prozent, Schlaganfälle um 16 Prozent und Lungenentzündungen um 24 Prozent reduzierte."