Zu wenig Spender

Österreichs Blut-Pool trocknet aus

Teilen

Immer weniger Menschen spenden Blut, dabei wird immer mehr davon benötigt. Nach den Ferien und der Grippewelle ist das Lager quasi leer.

Ohne verstärkte Mithilfe der Bevölkerung geht es nicht. Österreichs Pool an Blutkonserven - zum größten Teil gemanagt vom Roten Kreuz - gerät zunehmend aufs Trockene. Immer weniger Menschen sind zur Blutspende bereit, Wien ist im Länder-Vergleich besonders schlecht. Und jetzt - wie alle Jahre wieder - schlägt das traditionelle Spender-Manko zu Grippe- und Urlaubszeiten extrem zu.

"Null im Pool"
"Wir haben praktisch Null im Pool." Dr. Eva Menichetti, medizinische Leiterin der Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich und das Burgenland blickt auf den Bildschirm vor sich. Österreichs Blutspendezentralen in Wien, Linz, Klagenfurt und Feldkirch sowie die Blutdepartments an den Universitätskliniken bzw. LKHs in Graz, Innsbruck und Salzburg stellen im Computerverbund jene Blutkonserven ins Netz, die sie bei Engpässen in anderen Regionen abgeben könnten. Aktualisiert wird das alle 48 Stunden. Ende Jänner 2009 ist de facto nichts vorhanden.

Ferien und Grippe
Der Grund dafür: Während der Weihnachtsfeiertage und in den Ferien kommen an sich schon weniger Spender in die Zentralen. In diesem Jahr stellte sich unmittelbar nach den Ferien die Influenza in Österreich - etwas früher als sonst - ein. Maria Kral, Leiterin des Spendermanagements der Blutspendezentrale in Wien: "Die Situation ist zunehmend dramatisch. Mit dem Blickpunkt auf Wien, Niederösterreich und das Burgenland haben wir vielleicht noch 2.500 Konserven auf Lager. Es sollten 4.000 bis 4.500 sein." Ideal wären 4.000 bis 6.000.

Nicht herstellbar
Was in der breiten Bevölkerung offenbar zu wenig bekannt ist: Die Versorgung von Schwerkranken in den österreichischen Spitälern mit Blut ist nichts, was irgendjemand oder "die Anderen" betreiben können. Das ist die Angelegenheit der gesamten österreichischen Bevölkerung. Wo sonst sollte das Spenderblut herkommen?

Flexibilität schwierig
Mehrere Faktoren sind hier kritisch: Erythrozytenkonzentrate dürfen bei vier Grad Celsius nur 42 Tage lang gelagert werden. Auf der anderen Seite aber gilt es, Schwankungen im Verbrauch auszugleichen - so ist beispielsweise gerade der Jänner eine Periode größeren Verbrauches, weil es in den Krankenhäusern nach den Feiertagen wieder mehr Operationen gibt. Andererseits gilt es, auf Eventualitäten (größere Unfälle etc.) vorbereitet zu sein. Kontinuierliche Versorgung und gleichzeitig Spitzen im Verbrauch und schwankende Spenderzahlen machen die Steuerung schwierig.

Immer weniger Spender
Auf der Seite der Spender sieht es zunehmend schlechter aus. "Wir könnten Wien mit den eigenen Blutspenden gar nicht versorgen. Das war ja der Grund, warum unsere Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich und das Burgenland zuständig ist. In Wien sind 2,1 Prozent der Bevölkerung Blutspender, im österreichischen Durchschnitt sind es 3,7 Prozent", erklärt Maria Kral (Wien).

Wiener am geizigsten mit Blut
2007 spendeten fast 300.000 Österreicher den Lebenssaft. Das machte 454.000 Blutkonserven aus. Die größte Solidarität zeigten die Burgenländer, wo in jenem Jahr 5,3 Prozent der Bevölkerung an Blutspendeaktivitäten teilnahmen. Kral: "Auch die Niederösterreicher sind mit vier Prozent sehr spendefreudig."

In der Wiener Zentrale selbst werden nur rund ein Viertel der Konserven der drei Bundesländer aufgebracht. Der Rest erfolgt über Aktionen auswärts. Und da sind Aktivitäten in ländlichen Gemeinden und in Betrieben das Rückgrat des österreichischen Blutspendewesens.

Nimmt man die Zahlen von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, zeigt sich sehr genau, wie dramatisch die Situation bei den Blutspendern ist: In Wien blieb zwar zwischen 2004 und 2007 der Anteil der Spender an der Bevölkerung mit 2,1 Prozent gleich. Doch in Niederösterreich verringerte er sich von 4,6 auf vier Prozent, im Burgenland von 7,1 auf 6,2 Prozent.

Mehr Erstspender
Maria Kral: "Wir brauchen mehr Erstspender. Das sind derzeit etwa elf Prozent. Andere Staaten wie Litauen haben beispielsweise einen Erstspender-Anteil von 40 Prozent. Wir bräuchten auch mehr Frauen. Zwei Drittel unserer Spender sind Männer. Und wir verlieren drei Viertel unserer Spender wieder." Erstspender sollen zu regelmäßigen Besuchern der Zentralen werden. Männer können rund sechsmal im Jahr Blut spenden, Frauen vier bis fünf Mal.

Künftig noch mehr OPs
Auch die zunehmende Überalterung der Bevölkerung wird das Blutspendewesen vor neue Herausforderungen stellen. Die "künstliche Hüfte", das "künstliche Knie", die aufwendige Koronaroperation etc. - das alles sind Bedarfs-Höhepunkte für Blutkonserven. Zwar sank der Blutkonservenverbrauch in den vergangenen Jahren durch verfeinerte Techniken in den Operationssälen um pro Jahr etwa fünf Prozent. Doch jetzt dürfte hier ein Plateau erreicht werden - bei steigenden OPzahlen.

Alterslimit gefallen
Was sich die Verantwortlichen für Österreich wünschen: Sozusagen "Hinschauen statt wegschauen", was das Blutspendewesen angeht. Und natürlich "spenden statt bloß konsumieren". Das ehemalige generelle Alterslimit von 65 Jahren für Blutspender gibt es übrigens nicht mehr.

Und wann würde die medizinische Leiterin der Blutspendezentrale in Wien, Eva Menichetti, am ehesten Blut spenden? "Vor dem Sommer und im Jänner. Genau dann, wann wir besonders knapp sind."

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten
OE24 Logo