Studie warnt

Tschetschenen haben erhöhtes Radikalisierungspotenzial

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Eine von Bundeskanzleramt und Innenministerium beauftragte Studie sieht bei Migranten aus dem Nordkaukasus (Tschetschenien) ein vergleichsweise erhöhtes Radikalisierungspotenzial.  

Untersucht wurden Extremismusformen bei Zuwanderern aus der Türkei, dem Westbalkan, dem Nordkaukasus und von arabischstämmigen Zuwanderern. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) verwies auf die Notwendigkeit von u.a. Prävention und Aufklärung.

In der Arbeit mit dem Titel "Lagebild Extremismus und Migration: Fallstudien aus vier österreichischen Migrations-Communitys" unter der Leitung des am Londoner Kings College tätigen Extremismusforschers Peter R. Neumann wurden in allen untersuchten Communitys Anzeichen für Extremismus gefunden. Die Erscheinungsformen sowie die Radikalisierungs- und Gewaltpotenziale variierten demnach aber stark, hieß es in einer begleitenden Presseaussendung aus dem Büro von Integrationsministerin Raab.

Demnach weisen Zuwanderer aus der Türkei ein moderates Radikalisierungspotenzial auf. In der Bevölkerung mit arabischen Wurzeln wurden aktivistische und in geringerem Maße gewaltsame und passive Formen des Extremismus ausgemacht. Ein "vergleichsweise hohes Radikalisierungspotenzial" wird in der Studie der Nordkaukasus-Community (Tschetschenien) attestiert. Zuwanderer mit bosnischen und albanischen Wurzeln ("Westbalkan-Community") verfügen demnach hingegen "über eine hohe Resilienz gegenüber Extremismus".

"Ehrkultur" 

Das hohe Radikalisierungspotenzial innerhalb der Nordkaukasus-Community wird mit Abschottungstendenzen und einer "Ehrkultur" begründet, die in Teilen gewaltaffin sei. Positiv werden demnach existierende Bestrebungen und Initiativen innerhalb der Community eingeschätzt, die teilweise als Reaktion auf die hohe Anzahl an tschetschenisch-stämmigen Auslandskämpfern in Syrien zu sehen sei. Die Studie nennt hier etwa Bildungsangebote und Sozialprojekte.

In der Bevölkerung mit arabischen Wurzeln wurden laut Presseaussendung aktivistische und in geringerem Maße gewaltsame und passive Formen des Extremismus ausgemacht. In dieser Gruppe findet sich laut der Studie eine "relativ große Zahl junger und sozioökonomisch schlecht integrierter Männer". Das Radikalisierungspotenzial in dieser Gruppe sei "erheblich" - durch die Präsenz islamistischer Akteure, problematischer Einstellungen sowie dem nach wie vor starken Einfluss ausländischer Konflikte.

Bei Zuwanderern aus der Türkei sind laut der Erhebung zwar keine dschihadistischen Strömungen erkennbar. Es bestehe jedoch "ein weites Feld extremistischer Orientierungen sowie islamistischer und (ultra-)nationalistischer Akteure". Diese Extremismusformen würden sich weniger gegen die österreichische Gesellschaft oder gegen den Staat und seine Institutionen richten, sondern vielmehr nach "innen" - d.h. gegen kurdische, armenische und alevitische Bevölkerungsgruppen sowie politische Konkurrenten.

Kampf gegen Extremismus  

Extremismusforscher Neumann mahnte laut Presseaussendung zu einer "kontinuierlicher Auseinandersetzung mit dem Thema": "Die Studie zeigt, dass der Kampf gegen Extremismus eine Daueraufgabe ist und nicht 'geschafft' ist, bloß weil mal ein paar Monate kein Terroranschlag passiert." Extremismus sei natürlich "nicht ausschließlich ein Problem von Migrations-Communitys". Aber es sei innerhalb von Migrations-Communitys "anders gelagert", "nicht zuletzt, weil entscheidende Einflüsse aus dem Ausland kommen". Dies habe die Studie klar dokumentiert. Die Studie sei "keine Stigmatisierung, sondern im Gegenteil": Sie helfe dabei, "ein differenziertes Bild zu bekommen und Vorurteile abzubauen" - und ein Aufruf, sich noch mehr und intensiver mit den Migrations-Communitys im eigenen Land auseinanderzusetzen.

Integrationsministerin Raab erklärte, jede Form von Extremismus sei "auf das Schärfste zu verurteilen". Es brauche Anstrengungen auf mehreren Ebenen, "um vehement dagegen anzukämpfen". Damit es in den Communitys nicht zu Radikalisierungen kommt, brauche es "Maßnahmen im Integrations-, Sicherheits- und Justizbereich, sowohl in der Prävention als auch in der Aufklärung und eine enge Abstimmung zwischen Behörden im konkreten Verdachtsfall". Genauso sei eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen europäischen Ländern nötig - "weil Extremismus nicht vor Grenzen Halt macht".

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