Seit Samstagnachmittag waren im Gebiet des Großvenedigers die vier Bergsteiger abgängig. Jetzt wurden sie gerettet. Das Quartett ist wohlbehalten zu Tal geflogen worden.
"Osterwunder" im Großvendiger-Gebiet: Vier seit Samstag vermissten deutschen Schneeschuhwanderer - unter ihnen der Baubürgermeister von Pforzheim (Baden-Württemberg), Alexander Uhlig - sind Dienstag früh wohlbehalten unterhalb der Venediger Scharte vom Hubschrauber des Innenministeriums der Flugeinsatzstelle Klagenfurt "Libelle FLIR" geborgen und zu Tal geflogen worden. Das Quartett sei sehr gut beisammen und wurde ins Krankenhaus Lienz gebracht, schilderte Bergretter Estolf Müller nach der Pressekonferenz im Tauernhaus in Matrei in Osttirol.
Kräfte gut eingeteilt
Die Bergsteiger hätten mit den
Kräften sehr gut hausgehalten. Die Urlauber haben sich die Getränke und das
Essen kameradschaftlich aufgeteilt. "Sie haben sich hervorragend
verhalten und ihr Not-Biwakquartier aufgestellt - da dürfte ihnen ihre
Bergerfahrung sehr zu gute gekommen sein." Auch die Bergausrüstung sei
sehr gut gewesen, denn ansonsten hätten sie bei diesen Wetterverhältnissen
(Neuschnee, starker Wind und eisige Kälte) nicht so gut überlebt. Außer ein
paar Erfrierungen seien sie nicht verletzt, sagte Müller.
Es handle sich um eine "unglaublich spaltenreiches Gebiet", in dem es in den vergangenen beiden Tagen mindestens 50 Zentimeter Neuschnee gegeben habe, berichtete der Einsatzleiter der Bergrettung Matrei, Peter Ladstätter. Der Schnee habe sich aber durch Windverfrachtungen ungleich höher aufgetürmt. Dass ihnen das Überleben unter diesen Bedingungen gelungen sei, zeuge von bergsteigerischem Können auf "oberem Niveau". Die vier gruben sich eine Schneehöhle und rückten eng zusammen, was dazu führte, dass man minimalen Wärmeverlust in Kauf nehmen musste, erklärte der Bergretter. Der Pforzheimer Baubürgermeister habe zu den stärksten der Gruppe gezählt, sagte Ladstätter.
Aufstieg zum Großvenediger
Die Urlauber im Alter von 40 bis
50 Jahren waren seit Samstag im Gebiet des Großvenedigers vermisst. Die vier
Deutschen brachen am Samstag von der Kürsingerhütte zum Gipfel des 3.662
Meter hohen Großvenedigers auf. Um 12.30 Uhr erreichten sie den Gipfel, um
14.00 Uhr wurden sie zum letzten Mal von einer anderen Bergsteigergruppe
gesehen: Im Nebel stieg das gut ausgerüstete Quartett (LVS-Geräte, Schaufeln
und zumindest zwei Biwaksäcke) in Richtung Osttirol ab und ging in Richtung
Prager Hütte. Gegen 19.00 Uhr startete die Bergrettung eine Suchaktion nach
den Männern - sowohl von Salzburger als auch von Osttiroler Seite. Diese
Suche blieb bis 23.30 Uhr allerdings ergebnislos und wurde abgebrochen.
Sonntag - kein Lebenszeichen
Sonntagmittag waren über 70 Männer
der Bergrettungen Neukirchen und Matrei sowie drei Alpinpolizisten im
Einsatz. Da zu vermuten war, dass die vier Deutschen zur Prager Hütte
gingen, konzentrierte sich die Suche auf diesen Bereich. Unterstützt wurden
sie vom Hubschrauber. Bei einem Suchflug auf der Salzburger Seite konnten
die Vermissten nicht gesehen werden. Auf der Tiroler Seite hatte sich das
Wetter über Nacht so verschlechtert, dass ein Suchflug vorerst unmöglich
war. Untertags waren neben der Prager Hütte alle Schutzhütten auf Osttiroler
und Salzburger Hütte von den rund Bergrettern abgesucht worden - ohne Spur
auf die Deutschen.
Montag - keine Spuren
Auch am Montag gab es keine Hinweise auf
den Verbleib des Quartetts. Der bis zu 20 Zentimeter hohe Neuschnee habe
alle Spuren verdeckt. Auch war die Wetterlage sehr schlecht: Die
Lawinengefahr hat sich erhöht (Stufe 3 oder erheblich), und es gab starken
Wind. Sowohl auf Osttiroler als auch auf Salzburger Seite standen aber die
Rettungsmannschaften auf Abruf bereit, so Berger. Am Montagabend wurde auf
Osttiroler Seite bis zum Einbruch der Dunkelheit versucht, mit einem
Hubschrauber auf den Gletscher zu gelangen. Nebel und starke Föhnböen
verhinderten dies allerdings.
Lesen Sie mehr: Die Chronologie des Osterwunders am Großvenediger
Die vier Deutschen, die Dienstag früh wohlbehalten unterhalb der Venediger Scharte gefunden worden sind, waren drei Tage im Gebiet des Großvenedigers vermisst. Die gut ausgerüsteten Wanderer mussten bei teils sehr schlechtem Wetter bis zu ihrer Rettung ausharren. Hier die Chronologie:
Samstag, 3. April
Die vier deutschen Schneeschuhwanderer
brechen von der Kürsingerhütte zum Gipfel des 3.662 Meter hohen
Großvenedigers auf. Um 12.30 Uhr erreichen sie den Gipfel. Um 14.00 Uhr
werden sie zum letzten Mal von einer anderen Bergsteigergruppe gesehen. Das
gut ausgerüstete Quartett soll im Nebel in Richtung Osttirol abgegangen und
in Richtung Prager Hütte gewandert sein. Ein weiterer Deutscher wartet auf
der Kürsingerhütte auf seine Kameraden und schlägt am Abend Alarm, als diese
nicht auftauchen. Gegen 19.00 Uhr startet die Bergrettung eine Suchaktion
nach den Männern. Die Helfer kommen sowohl von Salzburger als auch von
Osttiroler Seite. Diese Suche bleibt bis 23.30 Uhr allerdings ergebnislos
und wird aufgrund des schlechten Wetters abgebrochen.
Sonntag, 4. April
Die Suche nach den vier Wanderern wird wieder
aufgenommen. Die Bergrettung hofft, dass die Gruppe in der
Winterschlafstelle der unbewirtschafteten "Neuen Pragerhütte" Schutz
gefunden haben könnte. Diese Hütte befindet sich in einem Gebiet ohne
Handyempfang. Bergretter erreichen die Hütte am Sonntag nach stundenlangem
Fußmarsch, doch es gibt keinen Hinweis auf die Vermissten. Durch die
vorübergehende Wetterbesserung werden am Sonntag auch Hubschrauber
eingesetzt. Auch diese Suche bleibt ohne Erfolg und muss wegen einer
herannahenden Schlechtwetterfront abgebrochen werden.
Montag, 5. April
Es gibt weiterhin keine Spur von den vier
deutschen Wanderern. Es wird bekannt, dass einer der Vermissten der
Pforzheimer Baubürgermeister Alexander Uhlig ist. Die Wetterlage in dem
Gebiet verschlechtert sich im Laufe des Montags weiter und macht es den
Bergrettern schwer: Es herrscht hohe Lawinengefahr und starker Wind. Bis zu
20 Zentimeter hoher Neuschnee verdeckt alle Spuren. Am Nachmittag wird der
Kamerad, der Alarm geschlagen hat, von Bergrettern abgeholt und ins Tal
gebracht. Gegen 20.00 Uhr muss die Suche nach den vier Deutschen erneut
abgebrochen werden.
Dienstag, 6. April
Die Vermissten werden unter der Venediger
Scharte in einer Seehöhe von 3.500 Metern vom Hubschrauber des
Innenministeriums der Flugeinsatzstelle Klagenfurt "Libelle FLIR"
wohlbehalten gefunden. Das Quartett hat in Biwacksäcken ausgeharrt und wird
bei der großangelegten Suchaktion mit Hilfe von Wärmebildkameras in der Früh
gefunden. Alle vier haben zwar Erfrierungen erlitten, bleiben aber ansonsten
unverletzt. Die vier haben sich eine Schneehöhle gegraben und sind eng
zusammengerückt.