Prozess

Explosion in Hernals: Zeugin mit Weinkrampf

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Die Emotionen nach dem schockierenden Zwischenfall kamen im Zeugenstand hoch.

Als Zeugin im Prozess nach der Wohnungsexplosion in Wien-Hernals wurde auch eine Nachbarin des Angeklagten befragt, die zum Zeitpunkt der Explosion joggen war und telefonisch von der Detonation erfuhr. Die 37-Jährige rechnete mit dem Schlimmsten, denn ihre 14 Jahre alte Tochter lag zu Hause krank im Bett.
 

Weinkrampf

 
"Ich habe nicht gewusst, was mit ihr ist", erklärte die Zeugin. Plötzlich begann sie zu schluchzen und erlitt einen Weinkrampf: "Es kommt alles hoch." Als sie vor dem Wohnhaus in der Hernalser Hauptstraße eintraf, hätte sie die Polizei aus Sicherheitsgründen nicht mehr ins Gebäude gelassen. Völlig verzweifelt habe sie über das Schicksal ihrer Tochter gerätselt, ehe sie die hinter einem Feuerwehrauto stehende 14-Jährige wahrnahm: "Sie war fast nackt. Sie war total in Panik."
 
Wie sich herausstellte, war die im dritten Stock gelegene Wohnung der insgesamt vierköpfigen Familie - eine weitere, elf Jahre alte Tochter war bereits in der Schule - von den Folgen der Explosion nicht unmittelbar betroffen. Die 14-Jährige konnte sich im Nachthemd ins Freie begeben. Allerdings leidet das Mädchen in psychischer Hinsicht bis zum heutigen Tag massiv an den Folgen, wie die Mutter dem Gericht erklärte: "Sie hatte Angst, konnte Monate lang nicht schlafen. Sie wollte sich umbringen. Sie ist in psychiatrischer Behandlung." Bei sämtlichen vier Familienmitgliedern ist eine posttraumatische Belastungsstörung aufgetreten, wie ärztliche Atteste bescheinigen.
 

Angeklagte ohne schwere Verletzungen

 
Demgegenüber fand es Gerichtsmediziner Christian Reiter "an sich sonderbar", dass der Angeklagte keine schweren Verletzungen davongetragen hat. Der 56-Jährige, in dessen Wohnung sich ein Gas-Luft-Gemisch entzündet hatte, dürfte von der Wucht der ersten Explosion aufs Bett geworfen und - als er sich Richtung Fenster begeben wollte - von einer zweiten Explosion aus dem Fenster seiner ebenerdig gelegenen Wohnung geschleudert worden sein, wo er rücklings im Innenhof zu liegen kam. Im Spital wurden Brüche von vier Zehen des linken Fußes festgestellt. Dass er abgesehen davon keine Frakturen erlitt, "hat vielleicht etwas mit dem Boden zu tun", wie Reiter ausführte. Der Innenhof ist nicht betoniert, sondern besteht aus einer Grünfläche.
 
Daneben wies der 56-Jährige angesengte Kopf- und Harthaare sowie angebrannte Augenbrauen auf. An beiden Handrücken waren Rötungen, an der rechten Hand Brandblasen feststellbar. Das entspräche grundsätzlich "dem Verletzungsbild einer Person, die etwas mit der rechten Hand gezündet hat", stellte Reiter fest.
 
Erörtert wurde schließlich noch das Gutachten eines Prüftechnikers der Wiener Netze. Der Angeklagte hatte behauptet, er hätte seit Monaten in seiner Wohnung unter einem Gas-Leck gelitten und deshalb den Gaszähler abmontiert. Ihm sei immer wieder schlecht geworden, er habe daher in Eigenregie das Leck zu beheben getrachtet. Nach der Untersuchung des Gaszählerkegelhahns kamen die Wiener Netze allerdings zu folgendem Schluss, den nun der geladene Experte dem Gericht referierte: "Die Leckrate war minimalst. Wobei es absolute Dichtheit nicht gibt. Die Leckrate war jedenfalls zu gering, um in einer entsprechenden Zeit eine explosionsfähige Atmosphäre herbeizuführen."
 
Obendrein war der Hahn aus Sicherheitsgründen zusätzlich mit einer Fettschicht überzogen worden, die bei der Explosion zum Schmelzen gebracht wurde. Folglich dürfte davon auszugehen sein, dass der Hahn vor dieser noch deutlich besser abgedichtet war. Der Experte hielt es jedenfalls für "nicht wahrscheinlich", dass in der Wohnung in spürbaren Mengen Gas ausgetreten war, bevor der Gaszähler mit einer Spezialzange demontiert wurde.
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