Ex-Freundin gefangen

Freispruch in spektakulärem Wiener Missbrauch-Prozess

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Am 11. Juli 2023 ist eine Frau mit Verletzungen, barfuß und weinend von einer Polizeistreife in Wien-Meidling auf der Straße aufgelesen worden. Ihr wäre soeben die Flucht gelungen, nachdem sie von ihrem Ex-Freund drei Tage lang in dessen Wohnung gefangen gehalten und mehrfach missbraucht worden sei.

Der angebliche Täter - ein 31-jähriger, bisher unbescholtener Mann - wurde allerdings am Montagabend am Landesgericht freigesprochen.

"Schauderhafte" Vorwürfe

Die Staatsanwältin bezeichnete zu Beginn der Verhandlung die inkriminierten Vorgänge als "absolut schauderhaft". Die Frau sei unter Zufügung besonderer Qualen ihrer Freiheit beraubt und in besonders erniedrigender Weise mehrfach vergewaltigt worden. Sie sei nach dem Ende der Beziehung noch ein Mal in die Wohnung ihres Ex-Freundes gekommen, um persönliche Gegenstände abzuholen. Der Angeklagte habe sie dabei zu Boden geschlagen, überwältigt, mit den Haaren aufs Bett gezerrt und sie mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselt und ihr den Mund verklebt, nachdem er ihr eine Schreckschusspistole in den Mund bzw. gegen die Schläfe gedrückt hatte. "Sie hat sich tagelang in Embryonalstellung befunden. Nicht mal für den Gang auf die Toilette hat er ihre Fesseln gelöst", sagte die Staatsanwältin. Auch in der Nacht blieb die 33-Jährige laut Anklage gefesselt.

Erst am dritten Tag sei die Frau entkommen, indem sie dem Angeklagten vormachte, sie liebe ihn noch, worauf er Essen holen wollte, schilderte die Staatsanwältin. Diese Gelegenheit habe die Frau genutzt, um sich zu befreien und aus der Wohnung zu flüchten.

Verteidigerin: "Alles erfunden und erlogen"

"Es ist nichts von dem passiert, was sie schildert", hielt dem der Angeklagte entgegen. Noch deutlicher wurde Verteidigerin Ina-Christin Stiglitz: "Es ist alles erfunden und erlogen." Das angebliche Opfer habe als "Edelprostituierte" gearbeitet und sich von mehreren Männern, darunter ihrem Mandanten, aushalten lassen. Stiglitz legte zum Beweis dafür einen Papierstoß mit ausgedruckten Chat-Protokollen vor.

"Es gab keine Trennung", behauptete der Angeklagte in seiner Einvernahme. Seine Freundin sei an den Tagen vor dem 9. Juli einfach verschwunden gewesen und habe ihm nicht verraten wollen, was ihr widerfahren sei, als sie mit deutlich sichtbaren Verletzungsspuren wieder bei ihm auftauchte. Er habe zu diesem Zeitpunkt schon von ihrer Tätigkeit als Prostituierte gewusst, zudem sei er davon ausgegangen, dass sie als Geldwäscherin für eine dubiose Gesellschaft gearbeitet habe. Die Wohnung habe man dann drei Tage nicht mehr verlassen und "eine schöne Zeit" verbracht: "Das war nichts Ungewöhnliches, dass wir drei Tage im Bett liegen, Film schauen, essen. Sie wollte sich ausruhen. Wir haben schöne Filme angeschaut, romantische Dramen."

Opfer soll auf Elektro-Sex bestanden haben

Wiederholt sei es auch zu Sex gekommen, auf Wunsch seiner Partnerin mit Fesselungsspielen und einem Elektroschocker: "Sie hat darauf bestanden, dass ich diese Praktiken ausübe. Das war in ihrem Interesse." Er habe ihr diesen Wunsch erfüllt, obwohl er von BDSM grundsätzlich nicht halte, erklärte der Angeklagte die dokumentierten, auf Fotos festgehaltenen Verletzungen der 33-Jährigen, die sich im Gerichtsakt befinden.

Auf die Frage, warum ihn die Frau belaste, erwiderte der 31-Jährige, er habe am Ende durchschaut, dass diese neben ihm parallel Beziehungen zu weiteren Männern unterhalten habe: "Ich bin eine Gefahr für ihr Liebesbeziehungsgeschäft. Anscheinend hat sie Angst bekommen, dass ich ihr Geschäftsmodell kaputt mache." Er habe "ganz normal" Essen holen wollen, da sei sie barfuß auf die Straße gelaufen und habe zum Schein um Hilfe gesucht: "Das war eine Inszenierung. Sie wollte das dramatisieren." Im Übrigen schulde ihm die 33-Jährige noch rund 60.000 Euro, die er für sie ausgelegt bzw. ihr geborgt habe.

Frau arbeitete als Prostituierte

Im Anschluss wurde ein Video mit der im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch vernommenen Frau teilweise abgespielt, der Rest wurde verlesen. Sie bestätigte zunächst, als Prostituierte tätig zu sein und auch in Salzburg und Klagenfurt Stammkunden zu betreuen. Mit einem habe sie seit heuer eine kontinuierliche "Sex-Beziehung". Mit dem Angeklagten habe sie "eine schöne, liebevolle, respektable Beziehung" gehabt: "Geliebt habe ich ihn nicht." "Heimlich" und dann endgültig verlassen habe sie ihn aufgrund seiner Eifersucht und weil er einmal handgreiflich geworden sei. Das habe er nicht akzeptiert: "Er hat gesagt, ich kann ihn nicht verlassen." Danach schilderte die Frau die von der Anklage umfassten Handlungen, wobei sie während ihres Martyriums mehrfach das Bewusstsein verloren habe. Der Angeklagte habe sie auch "eingeschüchtert", indem er erklärte, er habe ihr "schon das Grab geschaufelt".

Applaus nach Freispruch im Zweifel

Ein Schöffensenat (Vorsitz: Stefan Huber) fällte nach einer langen Beratungszeit kurz nach 17.00 Uhr einen Freispruch, den bei der Verhandlung anwesende Angehörige des Angeklagten - darunter der Vater und der Bruder - mit lautstarkem Applaus quittierten. Der Freispruch sei im Zweifel erfolgt, erläuterte der vorsitzende Richter. Die Verantwortung des Angeklagten sei "alles andere als nachvollziehbar". Das gelte jedoch auch für die Darstellung der Betroffenen: "Die Angaben des Opfers sind in entscheidenden Passagen nicht nachvollziehbar." Vor allem würden sich bei ihr festgestellte, objektive Verletzungen nicht mit ihren Beschreibungen zu den angeblichen Tatabläufen decken. "Dafür, dass es so wie sie sagt stattgefunden hat, gibt es Zweifel. Das Bild ist nicht schlüssig. Das passt für uns so nicht zusammen", sagte der Richter. Wenn Aussage gegen Aussage stehe, sei im Zweifel zugunsten des Angeklagten vorzugehen.

Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Sie erbat jedoch eine Protokollabschrift mit den unter Wahrheitspflicht getätigten Angaben der Zeugin. Auf die Frau dürfte ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage zukommen. Strafdrohung: bis zu sechs Monate Haft. Ihr Ex-Freund wurde nach der Verhandlung enthaftet. Er war fast fünf Monate in U-Haft gesessen.

In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, u.a. Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555, www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; Gewaltschutzzentrum Wien: https://www.gewaltschutzzentrum.at/wien/ und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722 und den Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Polizei-Notruf: 133

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