Der Mordprozess um Hadishat muss wiederholt werden, weil der Richter einen Blackout hatte.
Um es vorwegzunehmen: Nicht die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH), wonach der Prozess um die Ermordung der kleinen Hadishat (7) gegen ihren mutmaßlichen Mörder wiederholt werden muss, ist zweifelhaft. Es ist der juristische Dilettantismus aus dem Hauptverfahren, der sich zu einem handfesten Skandal auswuchs. Wegen „fundamentaler Verfahrensfehler“ muss Hadishats Familie nun erneut einen schmerzhaften Prozess über sich ergehen lassen. Schlamperei verhinderte, endlich mit dem Geschehen abschließen zu können.
Hadishat wurde in einem Gemeindebau in Wien-Döbling von ihrem Nachbarn Robert K. (damals 16) erstochen. Er ließ die kleine Leiche in der Duschwanne ausbluten, entsorgte sie schließlich im Mist. Liane Hirschbrich, die Verteidigerin des Gymnasiasten, berief sich auf innere Stimmen, die ihren jungen Mandanten zu der schrecklichen Tat getrieben hätten.
OGH-Vorwurf: "Richter hätte zwingend ein Obergutachten einholen müssen"
Es ist eine Justizpanne mit Ansage: „Es ist ein gesetzliches Muss, bei zwei sich widersprechenden Gutachten ein Obergutachten einzuholen“, sagt OGH-Sprecher Kurt Kirchbacher zu ÖSTERREICH. Warum es der Richter im Verfahren dennoch ablehnte, ein weiteres Gutachten zur Zurechnungsfähigkeit des Täters einzuholen, ist für ihn schwer zu erklären. „Menschen machen Fehler“, sagt er. „Vielleicht hatte er geistig schon mit dem Fall abgeschlossen.“ Die Verteidigung legte jedenfalls nach dem Urteil Nichtigkeitsbeschwerde ein. Nun kassierte der OGH das Urteil ein.
"Kein Erkenntnisgewinn durch Obergutachten"
Zwei Gutachter wurden bestellt, um Robert K. auf seinen Geisteszustand zu untersuchen. Der eine hielt ihn für zurechnungsfähig, der andere für schuldunfähig. In jedem anderen Verfahren wäre ein Obergutachten eingeholt worden, sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten dies auch gefordert.
Doch der vorsitzende Richter lehnte völlig überraschend ab, weil kein neuer Erkenntnisgewinn zu erwarten gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt war allen Anwesenden klar: Egal wie es ausfällt, das Urteil würde niemals Bestand haben.
So kam es auch. Robert K. wurde für zurechnungsfähig erklärt, erhielt 13 Jahre Haft und eine Einweisung in eine Anstalt. Bei Letzterem wird es bleiben, die Haftstrafe könnte fallen. Wenn er doch schuldunfähig war.
VERTEIDIGERIN: Sie wollte immer ein weiteres Gutachten
Verteidigerin Hirschbrich hielt ihren Mandanten für schuldunfähig. Bekommt sie recht?
Wien. Die Verteidigungsstrategie von Liane Hirschbrich war von Anfang an klar: Ihr Mandant Robert K. sei durch innere Stimmen zur Tat getrieben worden, er leide an einer paranoiden Schizophrenie, könne nicht schuldig gesprochen werden. Einer der beiden Gerichtsgutachter gab ihr recht. Und dennoch wurde die Juristin vom Gericht abgebügelt.
Die aktuelle Entscheidung des OGH mit einem Neustart des Mordprozesses dürfte in gewisser Weise eine Genugtuung für die Anwältin sein. Sie wird erneut versuchen, die Unzurechnungsfähigkeit von Robert K. zu beweisen. Eine Haftstrafe bliebe ihm dann erspart.
ANWALT: "Richtiges Urteil, aber schlecht für Familie"
ÖSTERREICH: Herr Rast, wie beurteilen Sie die OGH-Entscheidung?
Nikolaus Rast: Sie ist natürlich korrekt, aber eine Katastrophe für Hadishats Familie. Sie kann jetzt wieder nicht abschließen.
ÖSTERREICH: Was bedeutet der Richterspruch für das Strafmaß?
Rast: Ob schuldfähig oder nicht, ob Haftstrafe oder nicht – es ist in Wirklichkeit egal. Der Verurteilte wird in einer Anstalt für geistig abnorme Straftäter bleiben. Und er wird diese nicht mehr verlassen, solange er krank ist.
ÖSTERREICH: Was bringt dann die OGH-Entscheidung überhaupt?
Rast: Kosten für den Steuerzahler. Aber im Ernst: Der OGH konnte gar nicht anders und hat richtig entschieden. Doch es ist für die Familie bedauerlich, dass es so weit kommen musste.