'Beihilfe kürzen'

Schule schwänzen: Geldstrafe für Eltern

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Top-Experte Salcher will die Eltern zur Verantwortung ziehen.

ÖSTERREICH: Was halten Sie vom VP-Konzept einer Bildungsvereinbarung mit den Eltern?

Andreas Salcher: Das VP-Konzept besteht eher aus Überschriften, auch dabei. Das müsste man sich konkret anschauen.

ÖSTERREICH: Konkret geht es um eine Verpflichtung, mit den Kindern Hausaufgaben zu machen …

Salcher: Das ist an sich Aufgabe der Schule. Die Lernleistung muss dort passieren. Darum setze ich mich für die Ganztagsschule ein. Aber es gibt Eltern, die gar keine Verantwortung für den Schulerfolg ihrer Kinder übernehmen und zu keinem Elternsprechtag erscheinen, obwohl sie bestellt werden. Das ist oft ein Problem in bildungsferneren Schichten. In Wien gibt es Hauptschulen, wo ganze Klassen ohne Frühstück in die Schule geschickt werden. Hier bin ich dafür, sanft Druck auszuüben. Dazu hat der Staat das Recht.

ÖSTERREICH: Und das könnte man mit einer Bildungsvereinbarung verändern?

Salcher: Man muss etwas tun, wenn Kinder ihrer Schulpflicht nicht nachkommen und die Eltern gleichzeitig unauffindbar sind. Hier könnte es helfen, die Familienbeihilfe an bestimmte Kriterien zu knüpfen. Das hat sich ja auch beim Mutter-Kind-Pass legendär bewährt. Eine Bildungsvereinbarung kann so aussehen, dass die Schule für die Lernleistung zuständig ist und die Eltern dafür sorgen, dass das Kind etwa auch wirklich in die Schule geht.

ÖSTERREICH: Sie meinen, man sollte die Familienbeihilfe daran knüpfen, dass Kinder nicht die Schule schwänzen?

Salcher: Wenn der Staat eine Beihilfe gewährt, dann hat er auch das Recht, dafür eine Gegenleistung einzufordern. Natürlich haben auch die Lehrer eine sozialarbeiterische Verantwortung. Aber sie sind primär für das Lehren zuständig und es gibt einfach Punkte, da sind die Lehrer und die Schule überfordert. Da müsste übrigens auch viel mehr in Sozialarbeiter investiert werden.

ÖSTERREICH: Eine Eltern-Vereinbarung würde wirken?

Salcher: Ich glaube schon, dass es hilft, wenn klare Spielregeln aufgestellt werden. Die Schule kann nicht alles leisten, aber es ist auch nicht klug, immer gleich die Jugendfürsorge einzuschalten.

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Das sagen die Experten zum PISA-Ergebnis

"Die Ergebnisse bestätigen, wie dringend notwendig eine Bildungsreform ist. Ich hoffe, dass allein die Ankündigung des Volksbegehrens, verstärkt durch das erschreckende PISA-Ergebnis, ein "wake-up call“ ist und zu Aktionen führt.


Jetzt müssen wir alles mobilisieren. Da muss ein Ruck durchs Land gehen. Nicht nur die Politiker müssen handeln, sondern auch die freien Bürger sind im Interesse ihrer Kinder und Enkelkinder gefordert. Wer sich jetzt noch immer dagegen stellt, der outet sich."


"Unser veraltetes Bildungssystem geht nicht auf die Individualitäten der Schüler ein. Grund, warum wir jetzt so schlecht abschneiden, ist, dass wir seit PISA 2000 nichts machen. Und das, obwohl wir seit Jahren bestätigt bekommen, dass unsere Kinder nicht sinnerfassend lesen können. Der wirkliche Skandal ist also, dass es in Österreich immer eine engagierte Schuldzuweisungsdebatte gegeben hat, nie aber Handlungen. Wir haben die Banken mit Milliarden gerettet, die Jugend aber opfern wir."

"Im Wesentlichen zeigt der Test das gleiche Ergebnis wie 2006. Seitdem sind aber keine Reformen passiert. Es geht im schulpolitischen Bereich nichts weiter. Jede Diskussion artet in einen machtpolitischen Diskurs aus. Man vergisst ständig, die Schüler in den Mittelpunkt des Bildungssystems zu stellen. Es ist aber positiv, dass die Bildung jetzt in aller Munde ist und auch ein Volksbegehren geplant ist. Von dessen Inhalten wird abhängen, ob wir Schüler es dann auch unterstützen."

"Das Geld für PISA hätte man sich sparen können. Dass es enorme Probleme mit der Lesekompetenz gibt, ist doch jedem Lehrer längst klar. Vielleicht geht die Bildungspolitik nach den PISA-Ergebnissen endlich die Reformen an, die wir seit vielen Jahren fordern. Wenn PISA dafür nützlich war, ist es das Geld vielleicht wert. Es darf aber jetzt nicht wieder um Diskussionen über Schulorganisationen und Kompetenzzu¬gehörigkeiten gehen, sondern um qualitative Maßnahmen."