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Verkehr

Deutsche Pkw-Maut - Österreich klagt vor EuGH

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"Die geplante Einführung der Maut sei diskriminierend", sagt Verkehrsminister Leichtfried.

Der Streit um die deutsche Pkw-Maut erreicht seinen nächsten Höhepunkt. Österreich wird vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Klage einbringen. "Die geplante Einführung der Maut sei diskriminierend", sagt Verkehrsminister Jörg Leichtfried.

Die EU-Kommission ließ eine dreimonatige Stellungnahmefrist verstreichen, damit ist der Weg für das schon länger angedrohte Gerichtsverfahren frei, sagte Verkehrsminister Jörg Leichtfried am Donnerstag in Wien. Noch heute wird daher die Klage beim EuGH in Luxemburg eingebracht, so der SPÖ-Politiker.

"Die deutsche Maut ist eine Ausländermaut", kritisierte Leichtfried einmal mehr. Das lasse man sich nicht gefallen. Die EU-Kommission habe die Augen bei der deutschen Pkw-Maut "fest zugedrückt". Durch die Klage werde die Causa nun "eine Nagelprobe für das europäische Rechtsverständnis". Die EU müsse eine Solidargemeinschaft sein, es dürfe nicht das Gesetz des Stärkeren gelten. Die Kommission habe es verabsäumt, in der abgelaufenen Frist für "Recht und Fairness" zu sorgen, kritisierte Leichtfried:  "Die rasche Klage bringt die Möglichkeit für eine Rechtssicherheit noch bevor Deutschland mit seiner Ausländermaut 'operativ' wird", sagt der Minister.

Gegen indirekte Diskriminierung

Die 30-seitige Klagsschrift wurde vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts ausgearbeitet und wird heute eingebracht. Sie zielt gegen eine seitens Österreich geortete "indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit" ab, wie Obwexer erklärte. "Deutsche zahlen nicht weil sie Deutsche sind. Österreicher zahlen, weil sie Österreicher sind", kritisierte Leichtfried. Österreich habe "wohlwollende Unterstützung" von anderen EU-Staaten wie den Niederlanden oder Italien.

Der SPÖ-Politiker hat sein deutsches Verkehrsminister-Pendant Alexander Dobrindt (CSU) auch persönlich informiert, dass geklagt wird. "Er hat das zur Kenntnis genommen", so Leichtfried über das Telefonat.

"Das geplante deutsche Mautsystem dürfte und darf so nicht halten vor dem EuGH", betonte Obwexer. Er erläuterte, die Klage ziele gegen Teile von zwei deutschen Gesetzen ab, die die neue Maut organisieren. Es geht um das Infrastrukturabgabegesetz und das zweite Verkehrssteueränderungsgesetz, durch die nicht nur Privatfahrer sondern auch ausländische Transporteure benachteiligt würden.

Die Entscheidung des EuGH wird laut Leichtfried zeigen, "ob in Europa das Recht des Stärkeren oder die Stärke des Rechts regiert".

Der ÖAMTC begrüßte das Vorgehen Österreichs wie auch einige SPÖ-Politiker. Die einzige nicht sozialdemokratische politische Reaktion zur Klage kam zum Wahlkampfhöhepunkt vorerst nur von der ÖVP-Europaabgeordneten Claudia Schmidt. Sie sagte, es sei "gut, dass Österreich gegen die Diskriminierung vorgeht".

Tschechien kein Verbündeter

Bei der Klage gegen die deutsche Pkw-Maut kann Österreich allerdings nicht auf Tschechien als Verbündeten vor dem EU-Gerichtshof zählen. "Wir haben entschieden, uns der Klage nicht anzuschließen", sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Prag am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Man werde die Situation beobachten und prüfen, welche weiteren Schritte unternommen werden könnten.

Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka von den Sozialdemokraten (CSSD) hatte die deutsche Mautregelung als "nicht ganz fair" kritisiert. Zugleich warnten Politiker verschiedener Lager vor einer Verschlechterung der Beziehungen zu Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner des Industrielandes. In Tschechien gibt es auf Autobahnen eine Pkw-Maut auf Vignettenbasis.

Deutschland antwortet

Das deutsche Verkehrsministerium beharrt trotz der angekündigten Klage Österreichs vor dem Europäischen Gerichtshof auf der Rechtmäßigkeit der Pkw-Maut. Die EU-Kommission habe bereits vor Monaten grünes Licht gegeben und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingestellt, sagte ein Ministeriumssprecher am Donnerstag in Berlin.

"Die Ausschreibungen für das Mautsystem laufen. Die Maut kommt." Nach dem Prinzip "Wer nutzt, der zahlt - und keiner zahlt doppelt" werde Gerechtigkeit auf deutschen Straßen geschaffen. "Daran ändert auch die Klage der österreichischen Regierung nichts."

Details aus dem Gutachten

In einem Gutachten - Auszüge sind hier http://go.apa.at/SAaXyAgT zu finden - untermauert der Wissenschafter Walter Obwexer seine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten. Hier einige Details:

Dass deutsche Autofahrer die sogenannte Infrastrukturabgabe vulgo Maut durch eine parallele Senkung der Kfz-Steuer zurückbekommen, "stellt eine indirekte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar". Halter ausländischer Kfz bekommen die Infrastrukturabgabe (Maut) schließlich nicht über einen Umweg zurück: "Die Infrastrukturabgabe ist nämlich unverändert de facto nur von Haltern im Ausland zugelassener Fahrzeuge zu entrichten."

Das Umweltschutzargument reiche nicht aus, um die "indirekte Diskriminierung" ausländischer Fahrzeughalter zu rechtfertigen.

Dass auch ausländische Verkehrsunternehmen diskriminiert würden - also einen Wettbewerbsnachteil erhielten, weil sie die volle Kfz-Steuer entrichten müssen - widerspreche der sogenannten Standstill-Verpflichtung im Europarecht. "Von der Standstill-Verpflichtung kann nur durch einstimmigen Beschluss des Rates abgewichen werden."

"Einer Vertragsverletzungsklage gegen Deutschland kommt begründete Aussicht auf Erfolg zu", schreibt Obwexer weiters. "Das von Deutschland beschlossene Gesamtpaket beinhaltet nämlich auch in der geänderten Fassung eine Koppelung der Infrastrukturabgabe mit einer kompensierenden Senkung der Kfz-Steuer für Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen (Pkw und Wohnmobilen), wodurch die Infrastrukturabgabe de facto nur Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen trifft. Eine derartige Regelung ist beim derzeitigen Stand des Unionsrechts im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH als hinreichend qualifizierte Verletzung von Art 18 Abs 1 und von Art 92 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Anm.) zu werten."

Diskussionen in Deutschland

Eigentlich ist die deutsche Pkw-Maut schon 2015 beschlossen worden. Brüssel hat dann aber ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Recht gegen Deutschland eröffnet. Unterdessen hat die EU aber nach minimalen Änderungen im Gesetz grünes Licht gegeben. Kritiker wie Verkehrsminister Jörg Leichtfried, orten ein Einknicken der Union gegenüber dem mächtigen Mitgliedsstaat Deutschland.

Die EU ließ ihre Einwände fallen, nachdem der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) das ursprüngliche Modell an einigen Stellen geändert hatte. So werden mehr Kurzzeit-Tarife für Fahrer aus dem Ausland angeboten. Dobrindt, der laut Leichtfried im Vorfeld über die Klage aus Wien informiert wurde, wies Vorwürfe Österreichs mehrfach als "Ösi-Maut-Maulerei" zurück. Leichtfried bezeichnete das "Einknicken Brüssels" gegenüber Deutschland als "Skandal".

Ende März gab der Bundesrat in Berlin trotz erheblicher Kritik den Weg für die Einführung einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen jedenfalls frei. Ein dafür vom Bundestag beschlossenes Gesetzespaket ließ man passieren.

Die Maut gilt als Prestigeprojekt der CSU und soll nun ab 2019 gelten. Das Thema könnte aber auch innerhalb Deutschlands noch zu einem Streitpunkt bei Koalitionsverhandlungen werden. Die Grünen und die FDP sprachen sich gegen die Maut aus, die Linken und die AfD ebenso. Die SPD will die Lkw-Maut nicht auf Fahrzeuge unter 7,5 Tonnen ausdehnen, da dies vor allem Handwerksbetriebe belasten würde. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel bekennt sich zur Einführung der Maut und sagt, kein deutscher Autofahrer werde mehr belastet.

Steuergelder verbrennen

Die SPD fordert angesichts der angekündigten Klage Österreichs gegen die Pkw-Maut einen Stopp weiterer Vorbereitungen. "Die Gefahr ist zu groß, dass ansonsten Millionen Steuergelder verbrannt werden", sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol am Donnerstag. "Die Ausschreibungen für das Mautsystem laufen. Die Maut kommt", hieß es hingegen aus dem Verkehrsministerium in Berlin.

Maut
© APA/dpa-Zentralbild/Bernd Wüstneck (Symbolbild)

Niederlande wollen sich Austro-Klage anschließen

Die Niederlande wollen sich der von Österreich angekündigten Klage gegen die Pkw-Maut in Deutschland anschließen. Das teilte eine Sprecherin des Verkehrsministeriums am Donnerstag in Den Haag mit, wie die niederländische Agentur ANP berichtet. Die Niederlande würden zunächst die rechtliche Begründung der Österreicher abwarten.

Einen endgültigen Beschluss über eine Beteiligung an einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) muss die neue niederländische Regierung treffen. Die wird voraussichtlich erst Ende Oktober vereidigt. Die neue Mitte-Rechts-Koalition wird erneut vom rechtsliberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte geführt werden. Seine Partei VVD ist ein starker Gegner der Maut.

Die wichtigsten Bestimmungen rund um die geplante Pkw-Maut

 - Die Maut gilt für Autos und Wohnmobile, aber nicht Motorräder oder Kleinlastwagen.

   - Sie gilt zwar theoretisch auf Autobahnen und Bundesstraßen. Für ausländische Fahrzeughalter wird sie aber auf Bundesstraßen ausgesetzt, um den kleinen Grenzverkehr nicht zu belasten.

   - Die Gebühr wird über eine elektronische Vignette kassiert, es gibt also keine Aufkleber für die Windschutzscheibe. Dabei wird das Kennzeichen gespeichert und bei Kontrollen elektronisch überprüft. Die Daten dürfen nur für diesen Zweck erfasst und genutzt werden. Die Gebühr kann direkt von Zuhause über das Internet oder auch an Tankstellen bezahlt werden.

   - Fahrzeughalter aus Deutschland müssen automatisch eine Jahresvignette kaufen, die für Bundesstraßen und Autobahnen gilt. Je nach Autotyp und Schadstoffausstoß kann sie bis zu 130 Euro kosten. Allerdings werden die Halter über die Kfz-Steuer in mindestens gleicher Höhe wie der Maut-Beitrag wieder entlastet. Es zahlen unterm Strich also nur Ausländer. Dagegen hakt die heute eingebrachte österreichische Klage gegen Deutschland bei Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein.

   - Ausländer können statt der Jahresvignette auch Kurzzeitvignetten zwischen zehn Tagen und zwei Monaten kaufen. Für umweltfreundliche Kleinwagen kostet die günstigste Variante 2,50 Euro. Auch dies soll den Grenzverkehr erleichtern und war auf Druck der EU verankert worden. Auch der Schadstoffausstoß bei der Festlegung der Gebühr wurde daher stärker als ursprünglich geplant berücksichtigt.

   - Die Maut soll nach Angaben von Verkehrs- und Finanzministerium in Berlin jedes Jahr gut 500 Mio. Euro durch die Beiträge der Ausländer bringen. Zuvor müssen aber noch ein Einmalbeitrag für den Aufbau des Erfassungssystems abgezogen werden. Experten etwa vom ADAC halten die Berechnungen für zu optimistisch für den Staat.

   - Der Aufbau des Systems sowie die Ausschreibung für den Betrieb werden Zeit kosten. Es wird daher damit gerechnet, dass die Maut frühestens ab 2019 kassiert werden kann.

Österreichs Klage beim EU-Gericht eingegangen

Die von Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) angekündigte Klage Österreichs gegen Deutschland wegen der geplanten deutschen Pkw-Maut ist aktuell beim EU-Gerichtshof in Luxemburg eingegangen. Wie aus dem Gerichtshof in Luxemburg am Donnerstag hieß, trägt das Verfahren die Rechtssachennummer C-591/17.
 

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