'Herz zerrissen'

Gerald Grosz: Sein Mail an Jörg Haider

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Polit-Blogger und oe24-Kolumnist Gerald Grosz schreibt an seinen verstorbenen Freund Jörg Haider 

Lieber Jörg!

Vor 15 Jahren konnten wir es nicht fassen. Uns hat es das Herz zerrissen, eine tiefe Wunde klaffte in unseren Seelen.

Noch so jung, noch so aktiv wurdest Du aus dem irdischen Leben gerissen. Die Wunden sind verheilt, die Narben schmerzen dennoch hin und wieder und Sie erinnern uns täglich an die gemeinsamen Zeiten mit Dir. Heute, 15 Jahre später, sehen wir klarer. Die Tränen sind getrocknet. Dein Vermächtnis ist sichtbar, ist historisch unbestritten.

Ob Freund oder einstiger Feind, sie alle eint eine Überzeugung: Du hast dieses Land nachhaltig verändert, Du hast Europa verändert, Du warst ein Gigant dieser Republik. Wenn heute 15-jährige, die im Jahr Deines Todes oder danach erst auf die Welt kamen, millionenfach Deine Redeausschnitte auf TikTok zum Bankensystem, zu Russland, zur Abgehobenheit des politischen Systems, zur EU teilen, beweist es, wie zeitlos Deine Gedanken waren.

Es zeigt, dass sich nach wie vor Millionen von Menschen im deutschsprachigen Raum nach Deiner Art der Hinwendung zu den Bürgern regelrecht sehnen. Soziale Intelligenz, Empathie, eine wahre Liebe zu den Bürgern, ein brillanter Geist, eine sagenhafte Rhetorik, klare Visionen, Unabhängigkeit – all das fehlt heute. Hinter Dir tat sich zweifelsohne ein Vakuum auf. Du, der Verfassungsjurist, der nicht nur oberflächlich poltern konnte, sondern in die Tiefe, an die Wurzel der Probleme ging. Du, der charismatische und zutiefst empathische Menschenfischer, der die Lebensgeschichte jedes einzelnen Bürgers aufsaugte und half. Du hattest Humor, Mut zur Selbstironie. Humor setzt Intelligenz voraus, die hattest Du in Fülle.

Deine Auftritte waren funkelnd, im Privaten warst Du hingegen bescheiden. Heute gibt es in Österreich ein Kindergeld, wegen Dir. Heute gibt es keine Diskriminierung mehr zwischen Arbeitern und Angestellten, wegen Dir. Heute gibt es in Österreich Privatsender abseits des ORF-Meinungsmonopols, wegen Dir. Heute herrscht in diesem Land, im Gegensatz zu manch anderen Nachbarstaaten, Meinungsfreiheit abseits des rot/schwarzen Meinungsmonopols, wegen Dir. Du hast den Mief des Nachkriegsösterreichs durchbrochen, Du hast dem Land tatsächlich ein Stück Freiheit gegeben. Und Du hast eine unbequeme Wahrheit gesprochen, den Menschen wohltuend die Augen geöffnet.

Und das nachhaltig. Ideologisch warst Du nicht fassbar. Sozialpolitisch brauchtest Du keine linke Solidarität, Barmherzigkeit genügte. Recht und Ordnung, der Wert der Heimat, die Identität Deines Landes waren unverrückbare Grundpfeiler Deiner Thesen und Forderungen. Du warst tief verwurzelt in Deinem Land und tief verwurzelt ist die Zuneigung Deiner Landesleute Dir gegenüber 15 Jahre nach Deinem Tod. Unvergessen lebt im Volke, wer des Volkes nie vergaß, schrieb Anastasius Grün und widmete es Erzherzog Johann. Diese Zitat gilt Dir, mehr denn je!

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