Ehemalige Grünen-Chefin wurde von Kanzleramtsminister Blümel eingeladen.
Was bedeutet Verantwortung, wer ist wofür verantwortlich und wofür nicht? Darum ging es Mittwochabend beim 3. Politischen Philosophicum in Alpbach, zu dem Wiens ÖVP-Chef und Kanzleramtsminister Gernot Blümel eine prominente Runde einlud. Die Tagespolitik spielte dabei keine Rolle, und so ging es etwa nicht um die politische Verantwortung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in der BVT-Affäre, sondern um Verantwortung im Allgemeinen.
Blümel, der neben Wirtschaft auch Philosophie studiert hat, diskutierte mit seinem ehemaligen Professor Konrad Paul Liessmann und der früheren Grünen-Chefin Eva Glawischnig, die heute als Nachhaltigkeitsbeauftragte für den Glücksspielkonzern Novomatic tätig ist. Blümel ortete eingangs eine "Hochkonjunktur" des Begriffs Verantwortung - und stellte die Frage, wie weit Politiker ihrer Verantwortung gerecht werden können, wenn sie über den eigenen unmittelbaren Handlungsspielraum hinausgeht.
Glawischnig jetzt "lockerer"
Sie habe als Politikerin den Regierenden oft vorgeworfen "das ist ihre politische Verantwortung", meinte Glawischnig. Inzwischen habe sie gelernt, "auch sanftmütiger, ein bisschen lockerer, auch verständnisvoller zu sein, was die Perspektiven von anderen betrifft. Viele Fragen haben ganz viele Schattierungen. In der Politik bist du gezwungen, dich in eine Wagenburg zu verschanzen. Das bringt uns in vielen Fragen nicht weiter. Als Parteichefin musst du von A wie Asyl bis Z wie Zivilluftfahrt zu jedem Thema innerhalb der Sekunde eine Position entwickelt haben und sie so formulieren, dass in der Partei nichts anbrennt."
Die Arbeit bei Novomatic mache ihr "wahnsinnig viel Freude". Glücksspiel sei ein "sozial sensibles Produkt", meinte Glawischnig. "Ja, es ist ein Business", aber Novomatic stelle sich auch seiner sozialen Verantwortung und bemühe sich um Nachhaltigkeit. "Wie gehst Du mit Verhaltensweisen um, die existieren, die aber aus gesellschaftlichen Gründen nicht hundertprozentig akzeptiert sind. Ich möchte es so verantwortungsbewusst organisieren, dass niemand krank wird. Das ist mein Ziel und unsere Aufgabe." Die Politik geht Glawischnig nicht ab. Die Ex-Grüne antwortete auf eine entsprechende Frage kurz und kategorisch mit "Nein".
Liessmann nimmt Konzernen ihr Bekenntnis zur sozialen Verantwortung indes nicht ab. "Ich glaube nicht daran." Nicht weil Unternehmen per se böse wären, sondern weil sie einer anderen Logik nachgingen. Wettbewerb und Gewinne stünden an erster Stelle. In der Politik sei der Begriff der Verantwortung erst Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Voranschreiten der bürgerlichen Freiheiten aufgetaucht. "Sie sind nicht nur dem Bundeskanzler verantwortlich, sondern auch dem Volk", meinte der Philosoph Richtung Blümel. Das habe es davor in Zeiten des Absolutismus oder der Feudalherrschaft nicht gegeben.
Verantwortung
Blümels nüchtern-launige Replik zur Frage der Verantwortung und Freiheit von Ministern: "Man ist nicht nur dem Volk, sondern auch dem Bundeskanzler verantwortlich." Natürlich habe man als Politiker ständig im Auge, welche Auswirkung eine Entscheidung hat. Er versuche seine Funktion jedenfalls "sehr verantwortungsbewusst" auszuüben.
"Für einen Minister ist die Republik so eine Art Blumentopf. Er kann sorgsam damit umgehen oder er kann ihn umstoßen", so Liessmann. "Bei der nächsten Wahl ist dann - quasi das Volk - die mahnende Stimme der Mutter, dafür wirst Du jetzt zur Verantwortung gezogen." Das Blumentopf-Gleichnis hatte zuvor Blümel in die Diskussion geworfen. Ein umgestoßener Blumentopf auf der Kindergeburtstagsparty seines Neffen und die Frage, wer dafür verantwortlich ist, sei einer der Anstöße für das diesjährige Thema beim Politischen Philosophicum gewesen.
Nach Streifzügen über die Verantwortung der Automobilindustrie im Dieselskandal, die individuelle Verantwortung beim Klimawandel, den Ruf nach Verantwortung oder Bankenkrise oder die Verantwortung der Medien beim Brexit war man sich am Ende darüber einig, dass Verantwortung immer auch eine Frage der Macht sei.