Der ÖGB-Chef ist für Vermögenssteuer und gegen "aus den Fugen geratene" Manager-Gehälter.
Der ÖGB bringt sich gegen den Bundeskanzler in Stellung. Anlass sind Alfred Gusenbauers (S) Aussagen im APA-Interview, wonach die Krankenkassen nicht auf finanzielle Unterstützung des Bundes hoffen könnten. Für Gewerkschaftschef Rudolf Hundstorfer sind diese Aussagen "entbehrlich" und "nicht nachvollziehbar". Denn vieles an der Misere der Kassen sei auf Aufträge der Politik zurückzuführen, verwies der Präsident bei einem Hintergrundgespräch Donnerstagvormittag etwa auf die Zahlungen für das Wochengeld und die anstehenden Einkommenseinbußen durch die Rezeptgebühren-Deckelung.
Auch Kassen müssen sparen
Dass auch die
Sozialversicherungsträger ihren Beitrag zum Sparen leisten müssten, stehe
freilich ebenfalls außer Frage, erklärte Hundstorfer. Denn auch bei den
Kassen habe man mittlerweile verstanden, dass das reflexartige Rufen nach
mehr Geld der öffentlichen Hand heutzutage nicht mehr funktioniere.
Die Aussagen Gusenbauers im jetzigen Verhandlungszug seien für ihn aber unverständlich. Denn auch der Politik müsse klar sein, dass für gewisse Einnahmen-Ausfälle eine Gegenfinanzierung vorgenommen werden müsse, etwa bei der Rezeptgebühren-Deckelung, die mit 2008 in Kraft tritt und neuerlich ein Loch von rund 30 Millionen aufreißt - oder eben beim Wochengeld, das ja eigentlich eine Familienleistung ist und nichts mit Krankheit zu tun hat.
Hundstorfer will keine Leistungskürzungen
An Vorschlägen zur
Sanierung der Kassen brachte der ÖGB-Chef wieder die Verbreiterung der
Beitragsgrundlage, die im Rahmen der Steuerreform realisiert werden könnte.
Ebenfalls im Wunschprogramm der Gewerkschaft findet sich eine Deckelung der
Verträge bei den Ärzten sowie eine volle Abgeltung der Mehrwertsteuer auf
Medikamente. Leistungskürzungen stünden dagegen aus Sicht der
Arbeitnehmer-Vertreter nicht zur Debatte, versicherte Hundstorfer.
Steuerreform soll Arbeitnehmer um drei Mrd. entlasten
Zweites
Schwerpunkt-Thema des ÖGB für das Jahr 2008 ist die Steuerreform, im
Frühjahr soll gemeinsam mit der Arbeiterkammer ein fertiges Konzept
vorgelegt werden. Schon jetzt machte Hundstorfer klar, dass die gesamte
geplante Entlastung von drei Milliarden an die Arbeitnehmer fließen müsse,
da nur solch eine Maßnahme die Binnennachfrage im nötigen Ausmaß erhöhen
würde. Allerdings ist für ihn auch eine Senkung der Spitzensteuersatzes
nicht "sakrosankt".
Wo genau der Gewerkschaft bei der Steuerreform ansetzen wird, sagte der ÖGB-Chef am Donnerstag noch nicht. Dass ihm aber eine neue Vermögenssteuer ganz gut gefallen würde, machte er auf Nachfrage klar. Deren Abschaffung in den 90er-Jahren habe ihn nicht in Glückseligkeit versetzt. Käme die Vermögenssteuer wieder, müsste sie aber so konstruiert sein, dass nur wirklich große Besitzungen betroffen wären, kleine Häuser könne man etwa über Freibeträge in Höhe der doppelten Wohnbauförderung befreien.
Management-Gehälter völlig "aus den Fugen" geraten
"Aus
den Fugen" geraten sind für Hundstorfer manche Management-Gagen. Der
Präsident verwies etwa auf einen Novartis-Manager, der eine Prämie von 43
Millionen Euro kassiert hat. Hier könnte sich Hundstorfer durchaus
Obergrenzen vorstellen, Zahlen nannte er vorerst nicht, diese sollten erst
im ÖGB diskutiert werden.
Überleben der Gewerkschaft als Erfolg
Das Jahr 2007
bilanzierte der ÖGB-Chef als "relativ erfolgreich". Immerhin habe man
wirtschaftlich überlebt, was viele dem Gewerkschaftsbund nach dem Krisenjahr
2006 nicht zugetraut hätten. Zusätzlich seien die diversesten Projekte mit
der Arbeitgeber-Seite umgesetzt worden, an der Spitze der 1.000
Euro-Mindestlohn. Von der Mitgliederfront hatte Hundstorfer für ihn
Erfreuliches zu berichten. Man werde mit einer "schwarzen Null" abschließen,
also erstmals seit seit langer Zeit einen Zuwachs verzeichnen können.
Prozess gegen Verzetnitsch noch "offen"
Bedeckt hielt
sich der ÖGB-Präsident zu den laufenden Gerichtsverfahren. Der Ausgang jenes
mit seinem Vorgänger Fritz Verzetnitsch sei "offen", beim BAWAG-Prozess
glaubt er nicht, dass die ganze Sache mit der ersten Instanz ausgestanden
sein wird. Die Vereinbarung über die Umstellung der Pensionsansprüche mit
den aktiven Mitarbeitern wird wohl ohne Gericht ablaufen, sie soll noch im
Jänner unter Dach und Fach gebracht werden. Bei den Prozessen mit ehemaligen
Mitarbeitern hatte es zuletzt für den ÖGB erstinstanzliche Niederlagen
gesetzt.