Heuer kommt Bewegung in die jährliche Debatte um einen späteren Unterrichtsbeginn.
Für 460.000 Kinder startet heute wieder die Schule – und zwar pünktlich um 8 Uhr in der Früh. Wenn es nach SP-Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek geht, soll das bald der Vergangenheit angehören und Schulen künftig selbst über den Unterrichtsbeginn entscheiden dürfen. „Mehr Flexibilität zum Schulbeginn am Morgen kann durch mehr Schulautonomie erreicht werden“, sagt Heinisch gegenüber ÖSTERREICH. Sie reagiert damit auf die Forderung der deutschen Familienministerin Kristina Schröder, die Schule künftig erst um 9 Uhr starten zu lassen.
Auch Heinisch-Hosek kann sich das gut vorstellen: „Ein sanfter Einstieg in den Schultag erleichtert auch das Lernen“, so die Bildungsministerin. Kinder wären dadurch viel konzentrierter und leistungsfähiger.
Lehrer wollen keine Betreuung vorm Unterricht
„Mag sein“, antwortet nun Lehrergewerkschafter Paul Kimberger. Doch: „Die Arbeitswelt ist dafür nicht ausgelegt. Die meisten Eltern müssen um sieben Uhr das Haus verlassen.“ So lange sich dieser gesellschaftliche Rhythmus nicht umstelle, ist ein späterer Schulbeginn für ihn nicht denkbar. Auch den Plan, Schulstandorten die Entscheidung zu überlassen, lehnt Kimberger ab: Es müssten sogenannte „Frühstücksklassen“ eingeführt werden, in denen Schüler vor Unterrichtsbeginn betreut werden. „Für ordentliches Frühstück zu sorgen, ist Aufgabe der Eltern. Es wird ohnehin schon immer mehr an Lehrer delegiert“, kritisiert er.
Pro. Ansonsten bekommt Heinischs Vorstoß Zuspruch: Neben Bildungsexperte Andreas Salcher (s. Interview), stellt sich auch Bundesschulsprecher Lukas Faymann hinter sie: Flächendeckend sei ein Start um neun Uhr vielleicht nicht das Beste. Doch: „Schulen sollen auf jeden Fall selbst darüber entscheiden dürfen“, so Faymann.
Bildungsreform-Gruppe startet wieder im Herbst
Der individuelle Schulbeginn könnte auch bald Thema in der Bildungsreform-Gruppe der Regierung sein. Hat sich die SPÖ doch am Wochenende eine neue Leitresolution in Sachen Bildung gegeben. Einer der Hauptpunkte: Mehr Schulautonomie. Die Gruppe nimmt im Herbst die Arbeit nach der Sommerpause wieder auf. (fis)
Neuerungen im Schuljahr
Heute und auch nächsten Montag beginnt für insgesamt 81.000 Taferlklassler der Ernst des Lebens – mit dem ersten Schultag. Doch auch für die übrigen 1,1 Millionen Schüler in ganz Österreich wird sich mit diesem Schuljahr so einiges ändern:
- Zentralmatura für alle: Nach der Premiere an den AHS werden 2016 auch an den BMHS alle Schüler mit der neuen Matura abschließen. Insgesamt gibt es heuer 45.000 Maturanten.
- Aus für die Hauptschule: Mit diesem Schuljahr sind alle ersten Klassen der Hauptschule bereits auf Neue Mittelschulen (NMS) umgestellt. Das bedeutet, dass es keine neuen Hauptschulklassen mehr gibt. Es werden nur noch die letzten Jahrgänge bis 2018/19 fertiggemacht.
- Tägliche Turnstunde: In ganztägigen Schulformen startet die „tägliche Turnstunde“. Insgesamt sollen fünf Bewegungs-Einheiten - nicht unbedingt ganze Unterrichtsstunden -auf die Woche verteilt werden. Außerdem sollen Aufgaben künftig in der individuellen Lernzeit am Nachmittag absolviert - und damit nicht mit nach Hause genommen -werden.
Salcher: „Schule soll um 9 Uhr starten“
ÖSTERREICH: Ihre Idee, Schulbeginn erst um 9 Uhr, findet immer mehr Verfechter.
Andreas Salcher: Die Schüler sind zu 99 Prozent auf meiner Seite, aber auch viele Lehrer sind schon dafür. Die Eltern sind noch skeptisch.
ÖSTERREICH: Was wäre der Vorteil eines Starts um 9 Uhr?
Salcher: Alle Gehirnforscher werden Ihnen bestätigen: Wenn Kinder um halb sechs oder sechs Uhr aufstehen, bekommen sie die erste Schulstunde ab halb acht oder acht Uhr nicht mit. Da haben es die Lehrer mit nicht aufnahmefähigen Kids zu tun.
ÖSTERREICH: Wann müssten die Schulen also aufsperren?
Salcher: Sie müssten um halb acht Uhr aufsperren und eine „Wellcome-Phase“ anbieten, wo es Frühstück gibt und die Kinder sich körperlich und mental einstimmen können. Und um 9 Uhr wäre Unterrichts-Start.