Nur Polizeihubschrauber "störten" Empfang mit militärischen Ehren.
Selbst Bundespräsident Alexander Van der Bellen blickte mehrmals gen Himmel: Begleitet von zwei ständig über dem Inneren Burghof kreisenden Polizeihubschraubern hat der iranische Präsident Hassan Rouhani am heutigen Mittwoch einen offiziellen Besuch in Wien begonnen. Nur während des Abspielens der Nationalhymnen durch die Ehrengarde des Bundesheeres schien das Hubschraubergetöse zu verstummen.
Protestrufe gab es keine, wurden irankritische Demonstranten doch jenseits des Heldenplatzes verbannt, weil ein weiträumiges und von Dutzenden Polizisten abgesichertes Platzverbot rund um das Regierungszentrum galt. "Es ist demokratiepolitisch bedenklich, dass wir nicht in Sicht- und Hörweite von Rouhani sind", sagte Stop-the-Bomb-Vertreter Stephan Grigat gegenüber der APA. "Wir betrachten es als fatal, dass diesem Regime der rote Teppich ausgerollt wird", sagte er mit Blick auf die umstrittene Rolle des Iran im Nahen Osten und Menschenrechtsverletzungen im Land selbst.
Rouhani sei "das freundliche Gesicht des Terrors", wies Grigat die in Europa verbreitete Deutung, wonach man im Iran das moderate Lager gegenüber den Hardlinern stützen müsse, zurück. Rouhani unterscheide sich von den Konservativen nicht nach dem Ziel, etwa der Vernichtung Israels, sondern den Methoden. "Wir fordern den Sturz dieses Regimes", so Grigat.
Stop-the-Bomb-Vertreter kritisiert Kurz
Scharfe Kritik übte Grigat an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der zu Mittag mit Rouhani zusammentreffen wird. Kurz sei in einer ähnlichen Situation wie seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel, die die Sicherheit Israels ebenfalls zur "Staatsräson" erklärt habe, "dann aber nichts dafür getan hat, die Geschäfte deutscher Unternehmen im Iran zu stoppen". Kurz gehe sogar "noch einen Schritt weiter", indem er sich für eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen einsetze, so Grigat mit Blick auf Rouhanis Auftritt in der Wirtschaftskammer am Mittwochnachmittag. Im Bundeskanzleramt sollen zudem mehrere Memoranden zur Wirtschaftskooperation unterzeichnet werden.
Mit dem Besuch wollen Österreich und der Iran vor allem ein gemeinsames Bekenntnis zum nach dem US-Ausstieg im Mai ins Wanken geratenen Atomdeal abgeben, der vor knapp drei Jahren in Wien unterzeichnet worden war. Bundeskanzler Kurz hat jedoch betont, auch die Sicherheitsbedenken Israels ansprechen zu wollen. Am Freitag findet in Wien ein Treffen der verbleibenden Vertragsparteien des Atomdeals auf Außenministerebene statt, zu dem unter anderem auch Chinas Chefdiplomat Wang Yi erwartet wird.
Der Besuch Rouhanis wird von einem diplomatischen Eklat um einen Mitarbeiter der iranischen Botschaft in Wien überschattet, der am Wochenende wegen Terrorverdachts von den deutschen Justizbehörden in Bayern festgenommen worden war. Die "Bild"-Zeitung forderte die österreichische Regierung deswegen am Dienstag auf, Rouhani auszuladen. Das Außenministerium lud den iranischen Botschafter vor und teilte ihm mit, dass dem Mitarbeiter, der mit einem europäischen Haftbefehl gesucht wird, der Diplomatenstatus entzogen werde.
Zarif: Anschlagspläne in Paris "unter falscher Flagge"
Der iranische Diplomat soll Sprengstoff für einen angeblichen Anschlag auf eine Versammlung von tausenden Exil-Iranern in Paris besorgt haben. Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif sprach von einer "merkwürdigen Machenschaft unter falscher Flagge", also einem Komplott, dass dem Iran "praktischerweise" anlässlich von Rouhanis Europa-Besuch in die Schuhe geschoben werden sollte. Für die deutsche "Bild"-Zeitung schlug dieser Vorfall dem Fass den Boden aus, und sie forderte die Bundesregierung am Dienstag auf, den iranischen Präsidenten auszuladen. "Europa darf keinen roten Teppich für Henker und Terroristen ausrollen!" Vertreter der Exil-Iraner, die Ziel des angeblichen Anschlags waren, wollten um 13.30 Uhr auf dem Stephansplatz gegen Rouhani demonstrieren.
Nach dem Empfang mit militärischen Ehren, an dem auch die Außenminister Zarif und Karin Kneissl (FPÖ) teilnahmen, zogen sich Bundespräsident Van der Bellen und Rouhani zu einem Gespräch in die Präsidentschaftskanzlei zurück, um 11.00 Uhr sollte eine Pressekonferenz stattfinden. Danach sollte Rouhani von Bundeskanzler Kurz empfangen werden, gefolgt von einer Pressekonferenz (13.15 Uhr). Um 17.45 Uhr wollte Rouhani in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) im Beisein von Van der Bellen und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) einen Vortrag zu den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen halten. Zarif und Kneissl planten um 15.00 Uhr einen Besuch in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), wo sie eine Ausstellung zu 160 Jahren diplomatische Beziehungen Österreich/Iran eröffnen wollten.