Strukturreform

Justiz will 21 Bezirksgerichte einsparen

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Der Präsident des Linzer Oberlandesgerichtshofes, Alois Jung, hat Sparpläne.

Trotz Sparkurs und Personalknappheit leistet sich Österreich eine ganze Reihe von Klein- und Kleinstgerichten. Aus der Justiz kommt nun der Ruf nach einer Strukturreform: Der Präsident des Linzer Oberlandesgerichtes (OLG), Alois Jung, plädiert dafür, ein Drittel der Bezirksgerichte in Oberösterreich einzusparen. Die Gewerkschaft unterstützt die Sparpläne und glaubt, dass österreichweit etwa 21 der 141 Bezirksgerichte geschlossen werden könnten. Laut Statistik des Justizministeriums haben fünf österreichische Gerichte sogar weniger als eine volle Richterplanstelle.

Strukturbereinigung wäre "kleine Reform"
Jung hatte zuletzt in den "Oberösterreichischen Nachrichten" die Schließung von neun der 28 oberösterreichischen Bezirksgerichte vorgeschlagen. Im Gespräch bekräftigt der Jurist, dass ein Bezirksgericht zumindest drei Richter bräuchte, um deren Spezialisierung sowie Urlaubs- und Krankenstandsvertretungen gewährleisten zu können. Eine Strukturbereinigung wäre "eine kleine Reform, die mir für Oberösterreich und Salzburg Spielräume eröffnet", so der für die beiden Bundesländer zuständige OLG-Präsident mit Blick auf den Sparkurs der Justiz.

Jung für die kleinsten Gerichte Österreichs zuständig
Jung kennt die Problematik zur Genüge, fallen in seine Zuständigkeit doch drei der kleinsten Gerichte Österreichs: Dem Bezirksgericht Weyer ist eine halbe Richterstelle zugeordnet, auch an den Bezirksgerichten Leonfelden und Windischgarsten wird nur halbtags Recht gesprochen (0,6 bzw. 0,65 Vollbeschäftigungsäquivalente). Ähnlich kleine Gerichte gibt es sonst nur noch im zweisprachigen Gebiet Kärntens - in Eisenkappel (0,6 Richterstellen) und Bleiburg (0,8). Insgesamt arbeiten an 33 Bezirksgerichten in Österreich weniger als zwei vollzeitbeschäftigte Richter.

Zweifel an der Existenzberechtigung derart kleiner Gerichte kommen auch von der Justizgewerkschaft. Klaus Schröder, Vorsitzender der Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), plädiert für eine Untergrenze von etwa vier Richtern und verweist ebenfalls auf die Notwendigkeit der Spezialisierung (etwa auf Straf-, Zivil- und Familienrecht) sowie Probleme mit Vertretungsdiensten an Kleinstgerichten. "Da sollte die Politik aktiv werden", plädiert Schröder für Verhandlungen zwischen Bund und Landeshauptleuten.

Kleingerichte sollen weiterbestehen, wo zwingend nötig
Bestehenbleiben sollten Kleingerichte nach Ansicht der Juristen nur aus "zwingenden regionalen Erfordernissen" - etwa im zweisprachigen Gebiet Kärntens oder in besonders abgelegenen Regionen, wie Schröder meint. Auch Jung würde beispielsweise das Bezirksgericht Bad Ischl mit nur zwei Richtern bestehenlassen. "Sonst müssten die Gosauer bis nach Gmunden fahren", so der 64-jährige Jurist. Der Zugang zum Recht müsse weiter gewährleistet sein. Seine OLG-Kollegen und die Richter der Landesgerichte sieht Jung übrigens "zu 100 Prozent auf meiner Seite".

Bandion-Ortner plant vorerst keine Schließungen
Die Politik reagiert auf den Vorstoß dennoch zurückhaltend: Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) plant demnach von sich aus keine Schließung von Bezirksgerichten. Zudem verweist ihr Sprecher darauf, dass die Landesregierung solchen Plänen zustimmen müsste. Sollte der Wunsch des OLG bestehen, sei die Ministerin aber zu einem gemeinsamen Gespräch mit Jung und Landeshauptmann Josef Pühringer (V) bereit. Auch Pühringer reagiert abwartend: Bevor das Land tätig werde, brauche es ein Konzept des Bundes, hieß es in seinem Büro.

Landesregierungen haben Vetorecht
Die letzte "Schließungswelle" bei den Bezirksgerichten fand zu Zeiten der schwarz-blauen Koalition statt, als die Zahl der Standorte von 192 auf die heute bestehenden 141 reduziert wurde. Allerdings erfolgte die Durchforstung nicht in allen Bundesländern gleich engagiert. Obwohl die Justiz vom Bund finanziert wird, kommt den Ländern dabei nämlich de facto ein Veto-Recht zu: Im Verfassungs-Überleitungsgesetz von 1920 ist festgelegt, dass "Änderungen in den Sprengeln der Bezirksgerichte durch Verordnung der Bundesregierung mit Zustimmung der Landesregierung verfügt" werden.

Anfang 2001 hatte FP-Justizminister Dieter Böhmdorfer vorgeschlagen, die damals 192 Bezirksgerichte und 21 Landesgerichte zu 64 "Eingangsgerichten" zusammenzufassen. Dieser Plan scheiterte am Widerstand von Bundesländern und Standesvertretern. Stattdessen sollten zuerst 70 und dann 60 kleinere Bezirksgerichte geschlossen werden - tatsächlich mussten dann 51 Standorte zusperren.

Eine flächendeckende Strukturbereinigung erfolgte damit allerdings nicht. Laut aktuellen Zahlen des Justizministeriums haben nämlich immer noch fünf Bezirksgerichte weniger als eine volle Richterplanstelle (Eisenkappel und Bleiburg in Kärnten sowie Weyer, Leonfelden und Windischgarsten in Oberösterreich). Insgesamt 33 Bezirksgerichte verfügen über weniger als zwei volle Richterplanstellen, an 75 Bezirksgerichten arbeiten weniger als drei Richter.
 

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