Im Jahrbuch für Politik kritisiert Andreas Kohl die Regierung und zweifelt an deren Reformkraft.
Der Chef des ÖVP-Seniorenbundes Andreas Khol geht mit der Großen Koalition hart ins Gericht. Bei der Präsentation des Jahrbuchs für Politik 2007 bezweifelte Khol die Reformkraft der Regierung und sprach von einem "Jahr des Unbehagens". Zeit seines Lebens sei die repräsentative Demokratie niemals so umstritten gewesen wie jetzt. Das Projekt einer großen Staats- und Verwaltungsreform sieht er vor dem Scheitern: "Es gibt Teilergebnisse, aber die große Reform sehe ich nicht - dafür fehlt der politische Wille."
Dringende verdrängt das Wichtige
Verantwortlich für das
Stocken der Staatsreform sind für Khol sowohl die Länder, "die eigentlich
die Diskussion verweigern", als auch die Koalition. Für die Regierung gelte
offenbar der Grundsatz, "dass das Dringende das Wichtige verdrängt",
kritisierte der frühere Nationalratspräsident. Stillstand gibt es demnach
insbesondere bei der neuen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern,
bei der Reform des Bundesrates sowie der Finanzierung des Bundesstaates
("Finanzausgleich").
Nur zehnprozentige Umsetzung
Die von der Koalition eingesetzte
Arbeitsgruppe zur Verfassungsreform arbeite zwar weiter, sagte der
ÖVP-Chefverhandler. Er rechnet aber damit, dass die Regierung nur zehn
Prozent der Ergebnisse auch wirklich umsetzt. Offen sind in der
Arbeitsgruppe unter anderem noch Staatszielbestimmungen und ein neuer
Grundrechtskatalog. Für Khol stellt sich nach über einem Jahr Großer
Koalition die Frage: "Wie weit reicht die Reformkraft der Regierung aus,
über Verteilung und Gefälligkeit hinaus wichtige Entscheidungen zu treffen?"
Jahr des Unbehagens
Die Beiträge im "Jahrbuch für Politik 2007"
dokumentieren aus Sicht des Mitherausgebers Khol jedenfalls "ein Jahr des
Unbehagens". In dem 800-Seiten-Wälzer zieht zum mittlerweile 31. Mal eine
Reihe von Autoren Bilanz über das abgelaufene politische Jahr - vom Fall
Arigona Zogaj über die Situation der Muslime in Österreich bis zur
Gesundheitspolitik, der Schulreform und der Situation im ORF. Khols Fazit:
Viele offene Baustellen, nur wenige fertige Häuser.