oe24-Interview

Kurz: "So will ich mit Grünen regieren"

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Der neue alte Kanzler kündigt im 1. Interview nach der türkis-grünen Einigung die Senkung der Lohnsteuer ab dem Jahr 2021 an.

Wien. ÖVP-Chef Sebastian Kurz sagt im ÖSTERREICH-Interview die nächste Steuerreform für 2021 an.

ÖSTERREICH: Wie viele Prozent dieses Regierungsprogramms haben eine türkise Handschrift?
 
Sebastian Kurz: Beide Parteien finden sich gut in diesen Programm wieder. Beide konnten ihre zentralen Wahlversprechen halten. Bei den Grünen war das der Kampf gegen den Klimawandel und das Transparenzpaket – bei uns vor allem die Entlastung der arbeitenden Menschen und die konsequente Linie im Kampf gegen illegale Migration.
 
ÖSTERREICH: Aber die ÖVP hat sich stärker durchgesetzt?

KURZ: Es ist ein gutes Programm, in dem das Beste aus beiden Welten vereint wurde. Was natürlich stimmt, ist, dass die Parteien unterschiedlich groß sind. Die ÖVP hatte 37 % der Stimmen und die Grünen 14. Natürlich spielt das bei der Ressortverteilung eine Rolle.
 
ÖSTERREICH: Jetzt gibt’s einige, die meinen, da steckt noch viel FPÖ im Regierungsprogramm.
 
KURZ: Das Regierungsprogramm spiegelt im Migrationsbereich genau unsere Linie ­wider. Ich habe immer für eine konsequente Linie gekämpft, dafür, dass wir die Außengrenzen der EU schützen, gegen ­illegale Migration ankämpfen, jene außer Landes bringen, die einen negativen Asylbescheid bekommen und diejenigen integrieren, die legal hier in Österreich leben. Und ja, dieser Kurs wird konsequent fortgesetzt.

ÖSTERREICH: Sicherungshaft und Kopftuchverbot sind Punkte, die den Grünen schwerfallen. Gibt es Punkte, die Ihnen ähnlich schwerfallen?

KURZ: Das Programm halte ich für sehr gut. Ich bin ausgesprochen zufrieden. Der Bundesvorstand der Volkspartei hat daher einstimmig zugestimmt. Was das Kopftuchverbot betrifft, halte ich das für einen guten Schritt. Wir wollen doch, dass junge Mädchen frei und selbstbestimmt aufwachsen. Es kann nicht sein, dass sie – bevor sie religionsmündig sind – gezwungen werden, Kopftuch zu tragen.
 
ÖSTERREICH: Worauf sind Sie besonders stolz?
 
KURZ: Ich freue mich, dass wir den Weg der Steuerentlastung fortsetzen. Es ist ganz wichtig, dass arbeitenden Menschen und all jenen, die in Pension sind und die ihr Leben lang gearbeitet haben, mehr zum ­Leben bleibt. Ich finde es schön, dass wir diesen Weg gehen mit der Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer, aber auch mit der Erhöhung des Familienbonus auf 1.750 Euro.
 
ÖSTERREICH: Wann kommt die große Lohnsteuersenkung?
 
KURZ: Die unterste Tarifstufe sinkt 2021 und die beiden nächsten Stufen folgen dann in einem zweiten Schritt.
 
ÖSTERREICH: Und die Erhöhung des Familienbonus...
 
KURZ: ...kommt mit der zweiten Stufe der Lohnsteuersenkung.
 
ÖSTERREICH: Zur Migration: Warum der koalitionsfreie Raum im Fall einer Asylkrise. Trauen Sie den Grünen nicht?
 
KURZ: Das ist ein Krisenmechanismus, der wahrscheinlich gar nicht zur Anwendung kommen wird. Aber ja: Falls ­eine unvorhersehbare Situation eintritt, wollen wir gerüstet sein. Sollten wir uns nicht mit den Grünen einigen können, haben wir die Möglichkeiten andere Mehrheiten im Parlament zu suchen.
 
ÖSTERREICH: Auch die Sicherungshaft ist ein umstrittener Punkt. Es steht im Koalitionspakt, dass das auf einer verfassungskonformen Basis passieren soll. Heißt das, man braucht ­eine Änderung der Verfassung?
 
KURZ: Ich halte es für falsch, dass dieses Thema so emotional diskutiert wird. Was wir vorhaben, ist die Schließung einer Gesetzeslücke, so wie das in 15 anderen EU-Ländern bereits stattgefunden hat. Das ist menschenrechtskonform und entspricht auch dem EU-Recht und ist natürlich verfassungskonform. Wir werden das in aller Ruhe wie vereinbart mit Einbindung von Experten, so wie in anderen EU-Ländern üblich, auch in Österreich um­setzen.
 
ÖSTERREICH: Bei der CO2-Bepreisung kommt jetzt einmal eine Taskforce. Kommt die CO2-Bepreisung überhaupt noch vor der nächsten Wahl?
 
KURZ: Das wird noch diese ­Legislaturperiode betreffen. Wichtig ist, dass die Maßnahmen sozial und auch regional ausgeglichen sein müssen. Aber wir sind uns einig, Umweltverschmutzung stärker zu bepreisen – und ein gerechteres System zu erschaffen.
 
ÖSTERREICH: Viele verwundert es, dass die Grünen keinen Staatssekretär ins Finanzministerium entsandt haben. Hätte die ÖVP das akzeptiert?
 
KURZ: Selbstverständlich. Aber ich glaube, dass Werner Kogler und Gernot Blümel ein so vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut haben, dass die Zusammenarbeit auch ohne grünen Finanzstaatssekretär gut funktionieren wird.
 
ÖSTERREICH: Hat es Momente gegeben, wo die Verhandlungen auf der Kippe standen?

KURZ: Nein. Aber fertig ist es erst, wenn es fertig ist. Es war aber schon so, dass die letzten Tage diejenigen waren, an ­denen entscheidenden Durchbrüche gelungen sind.
 
ÖSTERREICH: Hat es Punkte gegeben, bei denen es ruppiger hergegangen ist?
 
KURZ: Es war nie ruppig, es war immer respektvoll im Ton. Wichtig war, dass wir uns gemeinsam darauf verständigt haben, nicht Fehler der früheren SPÖ-ÖVP-Koalitionen zu machen, bei denen man sich wechselseitig auf Minimalkompromisse herunterverhandelt hat. Sonst hätte es weder bei ­Migration noch beim Klimaschutz gute Ergebnisse gegeben.
 
ÖSTERREICH: Wann war Ihnen klar, dass es klappen wird?
 
KURZ: In den Tagen vor Weihnachten war es für mich klar, dass es funktionieren kann.
 
ÖSTERREICH: Sind Sie jetzt mit Türkis-Grün Trendsetter in Europa, Vorbild für Deutschland?
 
KURZ: Was die Entwicklung in Deutschland und anderen Ländern betrifft, das muss man abwarten. Positiv ist aber: Wir zeigen, dass es eine Alternative zu dieser rot-schwarzen Koalition gibt, die Österreich so viele Jahre lang gelähmt hat.
 
ÖSTERREICH: Ist das ein Projekt, das auf 10 Jahre angelegt?

KURZ: Jetzt ist es einmal auf fünf Jahre angelegt.

ÖSTERREICH: Wer war der erste internationale Politiker, der per Handy gratuliert hat?
 
KURZ: Viele: Von Ursula von der Leyen angefangen über Angela Merkel bis hin zu Viktor Orbán.
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