Eine Grenzöffnung wie in Ungarn kommt nicht infrage.
Eine Grenzöffnung wie in Ungarn im vorigen Herbst bleibe ausgeschlossen. "Fakten, die geschaffen wurden, müssen Fakten bleiben", sagte Vizekanzler Reinhard Mitterlehner (ÖVP) am Mittwoch nach seinem Gespräch mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin.
Orientierung an Fakten
Mitterlehner und Merkel haben Mittwochnachmittag "eine Kultur der Zusammenarbeit" und "rechtzeitig gegenseitige Informationen" vereinbart und sich nicht mit Emotionen oder eventueller Verstimmung aufgehalten, sondern "nüchtern und sachlich an Fakten orientiert". Mitterlehner sagte nach dem Gespräch im Kanzleramt, dass bestimmte Auffassungsunterschiede zwischen Berlin und Wien bestehen, sei ja schon im Vorfeld bekannt gewesen, daher sei das bei seinem Gespräch kein Überraschungseffekt gewesen.
Er habe gegenüber Merkel "felsenfest" die Auffassung vertreten, dass die durch Österreich geschaffenen Fakten der einzige Weg seien, auch als Botschaft an die EU-Partnerländer sowie an die Menschen, die noch kommen wollten: "Ein Abwarten und Vielleicht-doch-Öffnen wird nicht zustande kommen."
Zeit gewonnen
"Österreich hat Fakten geschaffen, mit der die Politik des Durchwinkens beendet wurde und die den europäischen Konsens gefunden hat." So habe EU-Ratspräsident Donald Tusk die Vorgangsweise der Balkanländer ausdrücklich begrüßt. "Wir sehen die österreichische Vorgangsweise nach wie vor als richtig an. Nur durch die Fakten habe es auch in Griechenland entsprechende Aktivitäten gegeben, "sonst hätte man immer weiter zugewartet und wäre die Situation wäre unverändert geblieben".
An der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien gehe es nicht darum, Druck an der Grenze aufzubauen, um eine Lösung wie im September in Ungarn zu ermöglichen, "sondern wir haben Fakten geschaffen, und die müssen bleiben. Wir haben damit Zeit gewonnen, das rechnen wir uns als Österreicher durchaus zu. Denn wenn wir bis April oder Mai gewartet hätten, wäre das in der Quantität nicht mehr abzuwickeln gewesen."
Keine Katastrophe in Sicht
Eine Katastrophe in der dortigen humanitären Situation sehe man nicht. Die Bilder seien unnötig überdimensioniert, es seien genügend Kapazitäten vorhanden, um entsprechende Unterbringung zu gewährleisten. In Vorahnung potenzieller Probleme mit Italien und der Brennerroute werde man die Kontakte mit Italien einschließlich Südtirol, Österreich und Deutschland optimal verstärken, "sodass wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sind".
"Beide, Österreich und Deutschland, wollen im Prinzip eine internationale Lösung, auch wenn wir einen etwas anderen Weg gegangen sind. Wir sehen in einer europäischen Lösung die einzige solide Möglichkeit, um dem Gesamtproblem zu begegnen."
Pull-Effekt
Die Grenzöffnung von Ungarn durch die deutsche Regierungschefin im vergangenen September sei kein Fehler gewesen, weil es eine humanitäre Ausnahmesituation gewesen sei und es damals noch keine Erfahrungswerte gegeben habe. Der Fehler sei gewesen, diesen Zustand wochenlang aufrechtzuerhalten, was das Problem nicht gelöst, sondern verstärkt habe. "Würden wir jetzt die Grenze wieder öffnen, hätten wir sofort einen Pull-Effekt und würden für alle eine Art Last-Minute-Aktion starten."
Dass daher keine neuerlich Öffnung infrage komme, sei für beide Seiten klar, sagte Mitterlehner, der vor dem Gespräch mit Merkel auch mit Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier bei einem Arbeitsessen die Flüchtlingsproblematik erörtert hatte.