Auf 237 Seiten zieht Sebastian Kurz eine sehr wohlwollende Bilanz über seine Politik. Zehn Monate nach seinem Polit-Aus beschreibt der Ex-Kanzler die Chat-Affäre, seinen Sohn und Putin.
Wien. „Politik hat natürlich immer auch ihre Schattenseiten. Aber in meiner gesamten Zeit in der Bundesregierung überwog doch stets das Positive. Dieses Gefühl ist mir im Parlament verloren gegangen“, so beschreibt Sebastian Kurz im Kapitel „Konstantin“ in seinem Buch (Edition a, „Reden wir über Politik“) seine Sicht auf seinen Rücktritt am 2. Dezember 2021. Die Geburt seines Sohnes Konstantin – erzählt er im Buch mit Conny Bischofberger erneut, habe den letzten Ausschlag gegeben.
In 24 Kapiteln – von „Frühstück mit Niki Lauda“, den er „bewundert“ habe über „plötzlich Politiker“ bis hin zu „Message Control“ „das grüne Experiment“ und die „Welt von Morgen“ – zieht der Ex-VP-Kanzler eine sehr positive Bilanz auf sich und seine zehn Jahre in der Spitzenpolitik.
Was in den Chats aus Sicht von Kurz Fehler war
Erklärungen. „Rückblickend gesehen war es wahrscheinlich ein Fehler, sich mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft anzulegen. Zumindest für mich persönlich“, schreibt der heutige Investor und Berater Kurz über sein einstiges Match mit der WKStA. Und er nimmt auch Stellung zu den Chats, die letztlich die Grünen dazu brachten, ihm die „Amtsfähigkeit“ abzusprechen. „Bei all dem, was auch ich in den Chats geschrieben habe, gibt es in meinen Augen eigentlich nur eine einzige Nachricht, die man mir vorwerfen kann. Und zwar, dass ich über meinen Vorgänger Reinhold Mitterlehner bestätigend geschrieben habe, er sei ein »Oarsch«.
Aber, Kurz relativiert: „Zu meiner Verteidigung darf ich vielleicht anführen, dass er zuvor ein ganzes Buch geschrieben hat, in dem ich sehr negativ dargestellt wurde, und dieses auch veröffentlicht hat. Angesichts dessen war meine sehr kurze Reaktion darauf, die nicht einmal für die Öffentlichkeit gedacht war, ein wesentlich bescheidenerer Ausdruck der eigenen Emotion, als es bei ihm der Fall war.“
Kaffee mit Kern und sein Pakt mit Strache
Blessuren. In dem 237 Seiten Buch berichtet Kurz auch von einem „Kaffee mit Christian Kern“ nach der Nationalratswahl 2017. „»Aber, Christian, könntest du dir überhaupt vorstellen, mein Vizekanzler zu sein?“, habe er den damaligen SPÖ-Kanzler gefragt. „Er hat eigentlich ab diesem Moment geschwiegen und es war offensichtlich, dass diese Option für ihn nicht infrage kommt“.
Und Kurz wiederholt seinen bereits 2017 geäußerten Vorwurf, dass Kern noch in der Wahlnacht – Kurz holte damals für die ÖVP Platz 1 – versucht habe eine Koalition mit der FPÖ zu schmieden. „Das nachträgliche Entsetzen von Teilen der SPÖ, wie wir denn mit den Rechten regieren können, entsprach schlicht nicht der politischen Realität. Tatsache ist, dass die SPÖ selber gern mit der FPÖ regieren wollte, so hätte Kern Kanzler bleiben können.“
Putin. War er in der Retrospektive zu milde mit Wladimir Putin? „Von seiner Persönlichkeit her ist Putin das genaue Gegenteil zu Trump. Sehr kühl, diszipliniert, immer gut vorbereitet. Ich hatte das Gefühl, dass keine Regung, kein Wort dem Zufall überlassen ist. Auch wenn das Verhältnis zwischen Europa und Russland stets angespannt war, hat es kaum jemand – auch ich nicht – für möglich gehalten, dass er alle Grenzen überschreitet, diesen Angriffskrieg vom Zaun bricht und damit unsägliches Leid verursacht“, sagt Kurz.