"Das muss aufhören"

"Normal"-Debatte: Van der Bellen übt scharfe Kritik

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Bundespräsident Alexander Van der Bellen übt scharfe Kritik an ÖVP, FPÖ und SPÖ. 

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei der Eröffnung der 77. Bregenzer Festspiele am Mittwoch vor "zerbrochenen Fenstern" durch ausgrenzende Sprache gewarnt und an die Parteien appelliert, stattdessen um die besten Lösungen zu kämpfen. Den "Ablenkungskampf um Begrifflichkeiten und Deutungshoheiten" sowie den Populismus kritisierte er scharf - was auch Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler (Grüne) tat.

Wie in den vergangenen Jahren sprach Van der Bellen in seiner Eröffnungsrede in Bregenz nur am Rande über Kunst. "Es ist wieder einmal Zeit, auch anzusprechen, was angesprochen werden muss", stellte er am Anfang seiner Ausführungen fest: "Es scheint so, dass sich manche Dinge in unserem Land nicht in die richtige Richtung entwickeln." Er erinnerte an die US-amerikanische "Theorie der zerbrochenen Fenster" zu eskalierendem Vandalismus und Zerstörung in Städten. "Warum ich diese Theorie erwähne? Weil in unserem Land gerade einige Fenster, finde ich, zerbrochen werden. Daran sollten wir uns nicht gewöhnen."

"Das muss aufhören" 

Sein Appell: "Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Sprache wieder zum Ausgrenzen verwendet wird. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass wieder von einem 'wir' und 'den anderen' gesprochen wird." Damit spielte er - ohne Nennung der Parteien - nicht nur auf die innenpolitische Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsparteien ÖVP und Grüne an (Stichwort: "normal denkende Menschen" vs. "präfaschistoid"), er nannte auch "das Volk", von der FPÖ für sich reklamiert, und "unsere Leute", zuletzt im Fokus auch der SPÖ.

"Wer sind 'unsere Leut'? Bin ich dabei? Sind uns 'die anderen' dann egal? Wer sagt, wer dazu gehört und wer nicht? Wer bestimmt, wer 'normal' ist und wer nicht?", fragte Van der Bellen. Es sei gefährlich, solche Begriffe so absolut zu verwenden, "denn sie werden sehr schnell gedankenlos wiedergegeben und tragen so mehr und mehr zum Zerbrechen einer Gemeinschaft bei", so der Bundespräsident. Solche Zitate würden mittlerweile von verschiedenen Parteien verwendet, "nicht nur von den üblichen Verdächtigen", wähnte sich Van der Bellen "manchmal wie im Hochwahlkampf".

Manche Politiker glaubten an den Populismus. "Aber Populismus ist nicht daran interessiert, Lösungen zu finden. Populismus will trennen, will ausgrenzen", sagte Van der Bellen. Populismus wolle, dass Probleme bleiben. "Hören Sie auf mit dem Ablenkungskampf um Begrifflichkeiten und Deutungshoheiten. Kämpfen Sie doch lieber um die besten Lösungen", forderte der Bundespräsident "alle im politischen Stadtviertel" auf. Es gebe so viele Themen, die diskutiert und gelöst und vermittelt werden müssten, nannte er Bereiche wie Wohlstand, Klima, Umwelt, sozialen Zusammenhang oder Bildung.

Liberale Demokratie

Ebenso betonte Van der Bellen den Wert der liberalen Demokratie. "Wir müssen auf die liberale Demokratie achten und in ihr die konstruktive Kritik und den konstruktiven Streit pflegen, sonst steuern wir auf eine Autokratie zu", sagte das Staatsoberhaupt. In einer solchen gehe es nur jenen gut, die zum 'wir' gehörten. Wie rasch das gehe, innerhalb von 20 Jahren, sehe man "im Osten". Liberale Demokratie gehöre allen. Auch die positiven Aspekte der Migration und Integration für Österreich hob Van der Bellen hervor. "Lassen Sie uns ruhig streiten. Konstruktiv streiten. Bringen wir das Beste in uns und in Österreich zum Vorschein und nicht das Niedrigste", so der Bundespräsident.

Für Freiheit der Kunst und "Stärke durch Zusammenhalt statt Schwächung durch Spaltung" sprach sich von Van der Bellen auch Kogler aus. Eine Absage erteilte er an "aufhetzende Populisten". Angst sei ein schlechter Ratgeber, man könne die Zukunft "leidenschaftlich gestalten".

Van der Bellen im Zitat 

"Es scheint so, dass sich manche Dinge in unserem Land nicht in die richtige Richtung entwickeln." - Van der Bellen fühlt sich politisch-verbal an die "Broken Windows"-Theorie US-amerikanischer Glasscherbenviertel erinnert.

"Warum ich diese Theorie erwähne, ist: Weil in unserem Land gerade einige Fenster, finde ich, zerbrochen werden. Damit sollten wir uns nicht abfinden. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Sprache wieder zum Ausgrenzen verwendet wird. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass wieder von einem 'wir' und 'den anderen' gesprochen wird." - Das Reden vom "normalen", "unseren Leuten" und "dem Volk" ist dem Bundespräsidenten ein Dorn im Auge.

"Ich appelliere an alle im politischen Stadtviertel: Hören Sie auf damit, mehr und mehr Fenster zu zerbrechen." - Besser wäre der Kampf um die besten Lösungen.

"War Mozart 'normal'? Na sicher nicht!" - Außergewöhnliche Menschen sind anders, Van der Bellen zählt auch Maria Lassnig, Albert Einstein und Anton Zeilinger dazu.

"Es ist gefährlich, solche Begriffe so absolut zu verwenden, denn sie werden sehr schnell gedankenlos wiedergegeben und tragen so mehr und mehr zum Zerbrechen einer Gemeinschaft bei." - Nicht nur die "üblichen Verdächtigen" hat er im Auge und fühlt sich im "Hochwahlkampf".

"Populismus holt nicht das Beste aus den Menschen hervor, sondern das Niedrigste." - Scheinwerfer auf das, was funktioniert, statt trennen und ausgrenzen, appelliert das Staatsoberhaupt.

"Liberale Demokratie gehört allen, nicht nur den Populisten, nicht nur den sogenannten Eliten, nie nur einer Gruppe. Liberale Demokratie gehört allen." - Die Alternative wäre Autokratie, sagt Van der Bellen.

"Bringen wir das Beste in uns und in Österreich zum Vorschein und nicht das Niedrigste." - Hoffnung zum Abschluss.

"Ich schließe wie ein Pfarrer: Es gibt das Gute, das Schöne, das Gemeinsame. Und die Bregenzer Festspiele zeigen das." - ... und sind damit eröffnet. 

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