Heute reden VP & Grüne Tacheles

Poker um Türkis-Grün wird dramatisch

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Zwölf Verhandler von ÖVP und Grünen ringen heute sechs Stunden um eine Regierung.

Wien. Fast täglich grüßt das Murmeltier – um 13 Uhr beginnt heute im Winter­palais des Prinzen Eugen die vierte große Sondierungsrunde von ÖVP und Grünen. Die Parteichefs Sebastian Kurz und Werner Kogler werden erneut unverbind­liche Erklärungen abgeben – tatsächlich geht es hinter verschlossenen Türen aber längst zur Sache. Die Gespräche gleichen offenbar echten Verhandlungen, auch wenn dies keiner bestätigt. Grünen-Manager Thimo Fiesel wollte zwar die Chancen auf eine türkis-grüne Koalition nicht einschätzen – er ortet aber bei der ÖVP einen echten Willen, etwas zu verändern. Trotzdem sind die Unterschiede enorm:
 

Migration wird zum Schlüsselpunkt

 
Harte Sache. Hier sind ÖVP und Grüne extrem weit auseinander, vor allem die politischen Gegner (wie die FPÖ) werden eine neue Koalition nur an diesem Thema messen. Einig ist man nur, dass man illegale Migration eindämmen will. Die Grünen wollen die staatliche Asylberatung wieder den NGOs geben. Ob da die ÖVP mitspielt, ist fraglich. Am ehesten gibt es eine Einigung bei den Asyllehrlingen. Chancen auf Einigung: sehr schwierig.
 

Transparenz bei Parteifinanzen

 
Bewegung. Galt ursprünglich als harter Punkt, jetzt soll angeblich Bewegung in die Sache gekommen sein. Die ÖVP scheint ebenfalls zu mehr Transparenz bereit – vor der Wahl hat man sich bereit erklärt, dem Rechnungshof in die Parteifinanzen Einsicht zu gewähren. Einigung ist möglich.
 

Klimaschutz: Für die Grünen Topthema

 
Essenziell. Klar, die Grünen gehen nur in eine Koalition mit der ÖVP, wenn sich beim Klimaschutz wirklich etwas tut. Eine CO2-Bepreisung könnte in einer ökosozialen Steuerreform versteckt werden, bei der alle entlastet werden. Trotzdem eine Herausforderung.
 

Bildung: Extrem 
weit auseinander

 
Zwei Welten. Egal wo – bei Gesamtschule oder den neuen Deutschklassen, mehr Befugnissen für Lehrern, Strafen fürs Schwänzen usw. –, ÖVP und Grüne trennen hier Welten. Einigung ist hier vielleicht noch schwieriger als bei der Migration.
 

Wirtschaft: Angst vor Abschwung

 
ÖVP-Thema. Entlastung und Deregulierung für die Wirtschaft ist der ÖVP so wichtig, wie der Klimaschutz den Grünen. Die ÖVP will u. a. (Umwelt-)Verfahren verkürzen, will die gekürzte Mindestsicherung nicht mehr aufschnüren. Alles Dinge, die den Grünen ein Graus sind. Auch schwierig.
 
Superfreitag. Die endgültige Entscheidung über echte Verhandlungen fällt allerdings am kommenden Freitag – da will man bis in die Nacht sondieren.(gü)
 

Grünen-Manager Fiesel: "Kurz ist klar, dass sich was ändern muss"

thimo fiesel
© Grüne
 
oe24: Sie sondieren eifrig mit der ÖVP. Ist das nicht ein Risiko für die Grünen?
 
Thimo Fiesel: Wir haben ja schon im Wahlkampf gesagt, dass wir bereit sind, in Sondierungen einzusteigen. Wir haben uns für Klimaschutz starkgemacht, für Transparenz und gegen Kinderarmut. Natürlich gibt es immer Risiken – die Österreicher tragen aber ein viel größeres Risiko, wenn in diesen Bereichen nichts Maßgebliches passiert. Wir schauen uns jetzt an, ob es mit dieser ÖVP funktionieren kann.
 
oe24: Wie läuft es denn? Die Hälfte der Termine ist ja bereits absolviert.
 
Fiesel: Wir schauen jetzt ge­rade, wie man Unterschiede überwinden kann. Es unterscheidet sich ja inhaltlich so viel zwischen Grünen und ÖVP. Für den Fall, dass man ­koaliert, soll es ja eine stabile Regierung sein. Man kann sicher sein: Wenn man mit den Grünen regiert, wird es eine skandalfreie Regierung. Da braucht man sich nur wieder die Liederbuch-Affäre in der FPÖ anschauen. All diese Dinge muss man jetzt abklopfen.
 
oe24: Werner Kogler sagte, er würde bei der Hintertür rausgehen, wenn etwas Unüberwindbares auftaucht. Ist das bereits passiert?
 
Fiesel: Wir haben Vertraulich­keit vereinbart. Ich könnte es außerdem noch nicht sagen, uns fehlt noch die zweite Hälfte der Sondierungen, um ein gesamtes Bild zu bekommen.
 
oe24: Jetzt sind die beiden Parteien so weit auseinander wie die Erde vom Mars. Müssen sich da nicht beide unglaublich verbiegen?
 
Fiesel: In bestimmten Feldern gibt es natürlich sehr viele Unterscheidungen. Aber ich glaube auch, Sebastian Kurz und die ÖVP haben die Zeichen erkannt, dass jener Kurs, der eineinhalb Jahre mit der FPÖ gefahren wurde, kein zukunftsweisender war. Sonst hätte erstens die Regierung länger gehalten, und zweitens wären auch die relevanten Fragen der Zukunft angegangen worden. Ich glaube, Kurz ist es schon klar, dass sich etwas verändern muss. Auch speziell im Bereich Klima- und Umweltschutz.
 
oe24: Wie fühlen Sie sich von der ÖVP behandelt?
 
Fiesel: Prinzipiell würde ich sagen, dass es auf Augenhöhe ist. Natürlich gibt es einen Unterschied in den Wahlergebnissen, aber Sondierungen und Koalitionsverhandlungen müssen auf Augenhöhe passieren. Momentan habe ich das Gefühl, dass von beiden Seiten ein großes Bemühen besteht, sich konkret anzuschauen, wo Unterschiede bestehen und wie man die mit gemeinsamen Ideen überwinden kann. Es gibt auch eine gewisse Vertrauensbasis, die im Wahlkampf so noch nicht da war.(gü)
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