Strenge Judikatur

Präsidenten-Wahl: Schriftliches Urteil liegt vor

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Verfassungsrichter begründen strenge Judikatur: "Sichert Gesetzmäßigkeit der Wahlen".

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Mittwoch sein schriftliches Erkenntnis zur Aufhebung der Bundespräsidentenwahl vorgelegt. "Im Namen der Republik!" erklären die Höchstrichter auf 175 Seiten ausführlich, weshalb die Stichwahl wiederholt werden muss. Ihre strenge Judikatur zu dem Thema begründen sie damit, dass Wahlmissbrauch von vornherein ausgeschlossen werden soll.

Zwar weist der Verfassungsgerichtshof wie schon in der mündlichen Urteilsverkündung am 1. Juli darauf hin, "dass keiner der von ihm im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen Anhaltspunkte für tatsächliche Manipulationen wahrgenommen hat". Aufzuheben war die Stichwahl dennoch. Und zwar wegen Rechtswidrigkeiten bei der Briefwahlauszählung in 14 Bezirken und weil das Innenministerium noch vor Wahlschluss Teilergebnisse an Medien und Forschungsinstitute weitergegeben hatte.

77.769 Briefwahlstimmen betroffen

Konkret waren Briefwahlkarten zu früh geöffnet und ohne die Beisitzer der Parteien ausgezählt worden. Betroffen waren davon zumindest 77.769 Briefwahlstimmen. Was für die Verfassungsrichter angesichts des knappen Vorsprungs des Grünen Alexander Van der Bellen auf seinen FP-Konkurrenten Norbert Hofer von nur 30.863 Stimmen Grund genug war, eine Wahlwiederholung anzuordnen. Diese wird am 2. Oktober stattfinden.

Der VfGH verweist im Urteil auf seine bis 1927 zurückreichende strenge Judikatur bei Verstößen gegen jene Vorschriften, die Wahlmanipulationen verhindern sollen. "Die gesetzlichen Vorschriften über das Wahlverfahren sollen garantieren, dass ein solcher Missbrauch von vornherein nicht möglich ist", heißt es im Urteil. Denn der Nachweis von konkretem Missbrauch werde dem Einzelnen nur in den seltensten Fällen möglich sein.

Erfahrungen in Ländern ohne funktionierende Demokratie würden zeigen, dass politische Funktionsträger "versucht sein könnten, mit Hilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Machtmittel Wahlergebnisse zu manipulieren". Und: "Auch in einer stabilen Demokratie sichert die genaue Einhaltung der Wahlvorschriften das Vertrauen der Bürger in die Gesetzmäßigkeit der Wahlen und damit (...) in eines der Fundamente des Staates."

Angefochten hatte das Ergebnis die FPÖ wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in 94 Stimmbezirken. Um die gesetzliche Vier-Wochen-Frist für die Entscheidung einzuhalten, trieb der VfGH einen bis dato nicht gekannten Aufwand: An fünf öffentlichen Sitzungstagen wurden 67 Zeugen befragt. Übrig blieb schließlich eine Liste mit 14 Bezirken, in denen teils massive Formalfehler bei der Briefwahlauszählung bestätigt wurden.
 

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