Kommentar in NZZ

Blümel: 'Mitte der Gesellschaft wird vergessen'

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Ex-Finanzminister Gernot Blümel gibt einen düsteren Ausblick für die Mittelschicht. In einem Gastkommentar schildert er die Herausforderungen der Zeit und die Verunsicherung des Mittelstandes.

Blümel hält fest, dass die Sorge des Mittelstandes wohl die zentrale soziale Frage unserer Zeit sei. Dieser Mittelstand fühle sich immer mehr übergangen, so der ehemalige Finanzminister der ÖVP in einem Kommentar in der "NZZ".

Loblied für EU

Zu Beginn hält Blümel noch ein Loblied auf die EU, die Demokratie und den Sieg der Marktwirtschaft in den frühen Jahren des 21. Jahrhunderts. An der EU würde kein Weg mehr vorbeiführen, so Blümel. Doch mittlerweile habe sich das Blatt gewendet. Die Zahl der demokratischen Staaten sei im Laufe der Nuller Jahre immer weiter gesunken, das Platzen mehrerer Blasen und die wirtschaftlichen Folgen habe die Kritiker der EU und die der Marktwirtschaft aber gestärkt. Dies gipfelte im Austritt Großbritanniens aus der EU im Jahre 2016.

Die Corona-Pandemie, die Blümel als Minister in Österreich noch selbst miterlebte, verschärfte diese kritische Haltung nur noch mehr, so Blümel. Autokratische Systeme hätten von der Pandemie profitiert. Zudem sei im Februar der Ukraine-Krieg ausgebrochen, der die Inflation in bis dahin ungeahnte Höhen stiegen ließ. Blümel ortet eine Zuspitzung von Links und Rechts und eine Zunahme des Populismus.

Doch wie kann die Demokratie gerettet werden und Populismus nicht weiter befeuert werden? Für Blümel geht es hauptsächlich darum, die Kernfragen der Gesellschaft zu identifizieren und zu beantworten.

Mittelstand in Gefahr

Blümel bezieht sich auf den Mittelstand, der die mittlerweile multiplen Krisen gut überstehen müsse. Er sei es doch, der die Ordnung des Staates stütze, so Blümel. Gerade finanziell treffen die aktuellen Krisen den Mittelstand hart. Zinsen auf Sparbüchern gehören der Vergangenheit an, auch bei Bausparern und Pensionsvorsogen schaue es mau aus. Geht es nach Blümel, müsse der Staat sich auf eben diese Mittelschicht konzentrieren und deren Probleme "anpacken".

Die größte Gefahr sei nach wie vor die rasant steigende Inflation, so Blümel. Die Kaufkraft nehme stetig ab und das lang ersparte verliere immer mehr an Wert. Der Einkauf oder die Fahrt zur Tankstelle sei für viele Familien mittlerweile ein Schreckensmoment, der seinesgleichen sucht. Gerade bei Freizeitaktivitäten und Geschenken werde bereits jetzt gespart. Eine Abwärtsspirale sei unübersehbar. Eine große gesellschaftliche Debatte vermisse der Ex-Finanzminister aber, auch das trage zur Verbitterung des Mittelstandes bei.

Zum Abschluss seines Textes in der "NZZ" greift Blümel den aktuellen "Winnetou"-Fall. Hier sei es die schweigende Mehrheit, die nichts sage, da sie Gefühle anderer nicht verletzten möchte. Auch die "kleine Meinungselite" bekommt ihr fett weg. Sie sei laut Blümel dafür verantwortlich, dass der "schweigenden Mehrheit" suggeriert werde, sie seien schlechte Menschen, weil sie andere Meinungen vertrete.

Ob die oben angesprochenen Veränderungen tatsächlich eintreten werden, wird sich zeigen. Der Rundumschlag des Ex-Finanzministers hat auf jeden Fall gesessen.

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