SPÖ-Chefin im Interview

Rendi-Wagner: ''Zahlen noch zu hoch für eine Öffnung''

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SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kritisiert Impfstart und fordert Risikoanalyse wegen Mutation

ÖSTERREICH: Sie haben sich mit dem Kanzler auf Eckpunkte einer Teststrategie geeinigt?

Pamela Rendi-Wagner: Um sicher durch die nächsten Monate zu kommen, sind Impfen und Testen wichtig. Daher ist eine Verständigung zwischen Regierung, Ländern, Sozialpartnern und Sozialdemokratie auf Eckpunkte einer neuen Teststrategie nach dem Lockdown entscheidend. Die Tests müssen zu den Menschen kommen – ins Wohnzimmer, in die Betriebe.

ÖSTERREICH: Wird der 24. Jänner als Lockdown-Ende angesichts der Infektionszahlen überhaupt halten?

Rendi-Wagner: Das einzige Kriterium für die Entscheidung, wann der Lockdown enden kann, muss das Infektionsgeschehen sein. Derzeit sind die Infektionszahlen noch viel zu hoch, und es sterben auch leider noch viel zu viele Menschen an Covid-19. So lange diese Zahlen nicht stabil auf unter 1.000 Neuinfektionen am Tag gehen, also die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 nicht unter 50 liegt, können wir nicht über Lockerungen reden.

ÖSTERREICH: Halten Sie es für realistisch, dass die Zahlen jetzt deutlich sinken?

Rendi-Wagner: Für diese Prognose ist es zu früh, wir werden erst Ende kommender Woche abschätzen können, wie sie sich entwickeln. Aber ich bleibe dabei: Die Entwicklung der Zahlen muss über ein Lockdown-­Ende entscheiden.

ÖSTERREICH: Sehr viele internationale Experten warnen wegen der Mutationen aus Großbritannien und Südafrika vor einer brutalen dritten Welle. Ist Österreich da vorbereitet?

Rendi-Wagner: Wir wussten immer, dass, je länger die Pandemie dauert, die Gefahr von größeren Mutationen steigt. Umso wichtiger ist es jetzt, rasch zu impfen, solange der Impfstoff noch gegen die aktuellen Mutationen wirkt. Für Österreich erwarte ich mir von der Regierung eine Risikoanalyse, was diese Mutationen für uns in allen Bereichen – inklusive Schulen – bedeuten.

ÖSTERREICH: Sie haben rasches Impfen angesprochen. Das war bislang in Österreich nicht der Fall, oder?

Rendi-Wagner: Das Wichtigste ist, dass die Menschen Klarheit darüber ­haben, wann und wie und wer geimpft wird, um Vertrauen zu schaffen. Der ­Gesundheitsminister sagt aber A, seine Beamten B und das Kanzleramt C. Das kostet Vertrauen bei einer ohnehin nicht sehr ausgeprägten derzeitigen Impfbereitschaft. Und dass man Impfstoffe gebunkert hatte, geht einfach nicht. Wir brauchen Tempo, Impfen rettet Menschenleben.

ÖSTERREICH: Ursprünglich wollte das Gesundheitsministerium über 80-Jährige, die zu Hause leben, erst ab März impfen. Verstehen Sie diese Strategie?

Rendi-Wagner: Nein, ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass man die mit dem größten Mortalitätsrisiko – und das sind die über 80-Jährigen – erst in zwei Monaten impfen wollte. Kein Arzt der Welt könnte es sich leisten, lebensrettende Mittel zwei Monate aufzuschieben. Was alle verstehen sollten: Die Impfungen sind unsere einzige Chance, Leben zu retten, Gesundheit zu schützen, aber auch Arbeitsplätze und Wirtschaft zu schützen. Nur durch die Impfung können wir die Pandemie beenden.

ÖSTERREICH: Gesundheitsminister Anschober erklärte den langsamen Impfstart mit einem Probelauf. Ist das üblich?

Rendi-Wagner: Nein, die klinischen Studien sind ja abgeschlossen und die Impfstoffe zugelassen. Das heißt, man müsste ab Tag 1 losimpfen. Dieser angebliche Testlauf klingt nach einer Ausrede und Schutz­behauptung.

Interview: Isabelle Daniel

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