Der österreichische Bundeskanzler gab dem US-Nachrichtenmagazin "Newsweek" ein Interview.
In einem Interview mit dem US-Nachrichtenmagazin "Newsweek" sprach der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz über EU-Reformen, die Flüchtlingskrise, den Brexit und die FPÖ als Teil der Regierung. "Treffen Sie Sebastian Kurz, den jüngsten Bundeskanzler der Welt", so der Titel des Interviews.
Die EU solle sich auf die großen Fragen konzentrieren, anstatt sich selbst in Kleinigkeiten zu verlieren, die von den einzelnen Staaten oder Regionen besser gelöst werden könnten, so Kurz angesprochen auf Reformen in der Europäischen Union. Man solle sich auf Außenpolitik, Verteidigung und die Sicherung der Außengrenzen konzentrieren.
Kurz zur Flüchtlingskrise
Das Ende der Flüchtlingskrise sehe der österreichische Kanzler noch nicht, "nur die Zahlen sind zurückgegangen, und das ist positiv". Man müsse noch hart arbeiten, um ein neues Asylsystem aufzubauen und die Außengrenzen zu sichern. "Wir, nicht die Schmuggler, müssen entscheiden, wer nach Europa kommen darf", so Kurz. "Es sollte klar sein: Jene, die versuchen, illegal in die EU zu kommen, sollten im Meer gerettet und dorthin zurückgeschickt werden, wo sie herkamen - und kein Ticket für die EU bekommen."
Auch als einen der Hauptgründe für den Brexit sehe Kurz die Flüchtlingskrise. Die Bilder aus Österreich und ganz Europa während der Flüchtlingskrise hätten gezeigt, dass die EU nicht fähig sei, die Außengrenzen zu kontrollieren. Das habe auch viele Briten dazu bewegt, für den Brexit zu stimmen.
Muslimische Bevölkerung
"Sie leiten eine christlich-demokratische Partei, aber Ihre Sicht auf Migration dürfte sich weit von jener des derzeitigen Papstes unterscheiden", fragte "Newsweek" den österreichischen Kanzler. "Ich denke, dass in den letzten zwei Jahren viele, die für eine Politik der offenen Tür waren, bereits ihre Einstellung geändert haben [...] Wenn wir den Menschen wirklich helfen wollen, müssen mir mehr in die Entwicklung der Herkunftsländer investieren", erklärt Kurz.
Auf die Frage, ob die acht Prozent muslimische Bevölkerung in Österreich ein Problem darstellten, antwortete Kurz: "Die wichtigste Frage ist, wie wir [sie] in unsere Gesellschaft integrieren. Um ehrlich zu sein, der Erfolg der Integration hängt immer von den Zahlen ab." Je höher die Zahl der zu integrierenden Menschen, desto schwieriger sei es für ein Land. "Die Zahl jener, die in den letzten Jahren nach Österreich gekommen sind, ist leider viel zu hoch", stellte der Kanzler klar.
Koalition mit FPÖ
In dem Interview wurde Kurz auch gefragt, wie die Beziehung der FPÖ zu Russland die Politik beeinflussen werde. "Wir sind sicher, dass Frieden in Europa immer mit Russland und nicht gegen Russland möglich sein wird. Wir wollen Lösungen finden für die Ukraine-Krise, aber wir haben auch die Sanktionen betreffend eine klare Position: Diese werden so lange anhalten, bis es Fortschritte in der Ost-Ukraine gibt.
Gefragt, warum eine Koalition mit einer rechtsextremen Partei in Österreich möglich sei, in Deutschland oder Frankreich jedoch als Tabu angesehen werde, erklärte Kurz, dass die FPÖ bereits zweimal Teil einer Bundesregierung gewesen sei. Auch in zwei Bundesländern koaliere die FPÖ - mit der SPÖ. "Ich hoffe, dass unsere Regierung nur aufgrund der Handlungen bewertet wird. Es ist offensichtlich, dass wir eine spezielle historische Verantwortung haben, Antisemitismus in Österreich und Europa zu bekämpfen. Wir müssen auch den neu importierten Anti-Semitismus aus dem Mittleren Osten bekämpfen", warnt Kurz.
"So jung mit solcher Verantwortung"
Zuletzt fragte "Newsweek" Kurz über seine Meinung zur Türkei: "Wir sehen die Türkei nicht als Mitgliedsstaat der Europäischen Union, weder jetzt noch in Zukunft. Wir müssen andere Wege finden, wie wir mit der Türkei als Nachbar zusammenarbeiten können."
Zum Schluss hob das US-Nachrichtenmagazin nochmals hervor, dass Kurz der jüngste Kanzler der Welt sei. "Wie fühlt es sich an, so jung zu sein und so eine große Verantwortung zu tragen?", fragte man Kurz. "Ich hoffe, dass die Menschen meine Regierung mehr an den Handlungen als am Alter des Kanzlers bewerten", gab sich Kurz bescheiden.