Gast-Kommentar von Robert Misik

Kauft sich das große Geld Einfluss, ist das Gift für die Demokratie

Teilen

Polit-Experte Robert Misik erklärt, wie der Wahlkampf läuft. 

Schuld ist immer der andere. ­Täter-Opfer-Umkehr nennt man es, wenn ich, beispielsweise, jemanden krankenhausreif schlage, und hinterher jammere, ich wäre ­eigentlich das Opfer. Etwa, weil mich der Typ blöd angeschaut hatte. Oder ich aus ­irgendeinem Grund total ­aggro war, etwa, weil im Job mal wieder alles schieflief. Besonders egozentrische Persönlichkeiten neigen dazu, immer die Schuld bei anderen und sich selbst als Opfer zu sehen.

Jauche-Ventilator. Was im persönlichen Leben eine psychische Störung ist, gehört in der Politik zum Handwerk. Wirst du bei irgend­etwas erwischt, dann gib den anderen die Schuld. Da gilt die Regel aus dem Wahlkampf-Handbuch: Wenn du in der Jauche versinkst, dann schalte den Ventilator ein, damit sich der Dreck auf alle anderen auch verteilt.

So ungeschickt, dass der Staatsanwalt dastand

"Schmutziger Wahlkampf." Genauso ist es, wenn die ÖVP oder die FPÖ einen „schmutzigen Wahlkampf“ beklagen, weil jetzt herauskommt, was diese Parteien in den vergangenen Jahren alles so getrieben haben. Heinz-Christian Strache hat vor laufender Kamera davon geträumt, wie er für sich und seine Leute die Taschen vollstopfen kann, wie man Volksvermögen versilbern und sich Einfluss kaufen kann.

Posten gekrallt. Man hat sich Posten gekrallt, und nicht einmal darauf geachtet, dass die dafür ausersehenen Kandidaten zumindest eine oberflächliche Qualifikation haben. Man hat sich dabei auch so ungeschickt angestellt, dass jetzt sogar die Korruptionsstaatsanwaltschaft mit einem Hausdurchsuchungsbefehl vor der Tür steht und das Handy beschlagnahmt

Während Strache noch träumte, hat es Kurz getan

Klingelbeutel herumgereicht. Während HC Strache noch davon träumte, wie er seiner Partei die Taschen vollstopft, hat es Sebastian Kurz einfach getan. Hat den Klingelbeutel rumgereicht, und die Kontostandkaiser des Landes haben eingezahlt. Er hatte Geld wie Heu im letzten Wahlkampf, und wie jetzt herauskam, haben seine Türkisen allein 2018 und in den ersten Monaten 2019 insgesamt 2,7 Millionen Euro gesammelt. Etwa 98 Prozent der Spenden kamen von Millionären, Milliardären und Konzernen, nur zwei Prozent waren Kleinspenden.

Lange nicht aufgefallen. Und das hat man schön so organisiert, dass es lange nicht auffiel. 49.000 Euro hat eine Milliardärin überwiesen – monatlich! Ab einem Betrag von 50.000 hätte man es melden müssen. Damit war sie noch gar nicht die größte Großspenderin. Ein anderer Industrieller überwies in den vergangenen Jahren insgesamt 1,7 Millionen, und der gehörte auch noch zu einer Lobbygruppe, die dafür die erwünschte Politik gleich frech anmahnte: 60-Stunden-Woche, 12-Stunden-Tag, Senkung von Unternehmenssteuern.

Machinationen untersucht. Dass all das jetzt rauskommt und dass etwaige Machinationen, die möglicherweise gegen Gesetze verstoßen, von der Staatsanwaltschaft untersucht werden, wird jetzt „schmutziger Wahlkampf“ genannt. Besonders originell war, als die ÖVP sogar damit drohte, die Ermittler zu verklagen.

Dreck weg. Das mach ich das nächste Mal auch, wenn ich beim Falschparken erwischt werde. Aber schmutzig ist natürlich nicht, dass das jetzt aufgedeckt wird. Nicht die Hausfrau, die den Dreck unter dem Sofa hervorkehrt, ist ein Schmutzfink. Sie macht, im Gegenteil, den Dreck ja weg.

Kommen sie damit durch, sich als Opfer zu stilisieren?

Treuherzig. Im vergangenen Wahlkampf hat Sebastian Kurz noch treuherzig in die Kameras gesagt: „Wenn ich Spenden intransparent sammeln würde, dann können Sie zu recht annehmen, dass ich irgendein Problem damit hab’, die Personen ­öffentlich zu machen, dass es da vielleicht den Versuch gibt, Politiker zu kaufen.“

Das Aberwitzige ist, dass er, just in jener Zeit, als er das sagte, exakt das gemacht hat. Und jetzt jammert er, wenn man ihn den gekauften Kanzler nennt. Mein Ratschlag wäre ja eher: Wenn du nicht willst, dass etwas rauskommt, dann tue es einfach nicht. Damit fährt man meistens sicherer.

Möglich ist natürlich, dass sowohl Kurz als auch die FPÖ mit ihrer Strategie durchkommen, sich als arme ­Opfer zu stilisieren. Aber sie haben jetzt auch ein Problem. Vom Saubermann-Image von Kurz ist nicht mehr viel übrig. Und sowohl ÖVP als auch FPÖ werden den gesamten Wahlkampf mit Fragen nach Posten, schwarzen Kassen und geschredderten Beweismitteln konfrontiert sein.

Was sie sonst noch so zu ­sagen haben, wird kaum jemanden mehr interessieren. Aber das haben sie sich selbst eingebrockt. 

Politik am Tropf von Geldleuten ist fatal

Nur dickes Konto zählt. Politik am Tropf von Geldleuten ist ganz grundsätzlich Gift für die Demokratie, weil dann die Interessen der Reichen und Wichtigen mit ­dickem Konto mehr zählen als die der normalen Leute. Was mich aber richtig fuchsig macht, ist, dass die Ertappten nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben. 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.