Koalitionspoker

Wer soll mit wem regieren?

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Wie realistisch ist Türkis-Blau II? Und mit wem Kurz wirklich regieren könnte.

Tauziehen. Wenn man allen aktuellen Umfragen glaubt, dann wird die ÖVP – nach menschlichem Ermessen – am 29. September klare Nummer 1 werden. Sollte die ÖVP aber „nur“ die zurzeit prognostizierten 35 Prozent bei der Nationalratswahl einfahren, dürfte die Suche nach neuen Koalitionspartnern so richtig mühselig für die Türkisen und das Land werden.
28 Prozent wollen laut Research-Affairs-Umfrage erneut Türkis-Blau. Aber ist diese Politehe realistisch?
 

Türkis-Blau wäre ein extremes Risikospiel

 
Gefährlich. Inhaltlich wäre es für die ÖVP wohl das leichteste Spiel, erneut die Politehe mit den Blauen zu wagen. FPÖ-Chef Norbert Hofer will zudem unbedingt wieder in eine Regierung ziehen. Aber in der ÖVP gibt es quer durch alle Länderorganisationen schwerste Bedenken gegen eine Neuauflage von VP-FP. Zudem müssten die Türkisen Herbert Kickl als mächtigen FP-Klubchef schlucken, was an der VP-Glaubwürdigkeit – wozu dann die Neuwahl würden, viele Bürger denken – rütteln würde. Last, but not least, läuft es in der FPÖ seit dem Strache-Ibiza-Skandal alles andere als rund. Die ÖVP müsste in einer Koali­tion mit den Blauen permanent mit blauen Machtkämpfen und neuerlichen „Einzelfällen“ oder gar Ermittlungen rechnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass solch eine Koalition wieder vor­zeitig scheitern würde, wäre sehr hoch. „Und noch einmal kann sich Sebastian Kurz ein Platzen einer Regierung nicht leisten“, sagen selbst VP-Strategen. Ob er dieses Risiko wirklich eingeht?
 

Türkis-Rot als Krampf, aber sichere Option

 
Eine sichere Mehrheit hätten freilich auch die einstigen Koalitionspartner ÖVP und SPÖ. VP-Chef Kurz und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner könnten rein menschlich wohl rasch gut miteinander regieren. Aber ÖVP und SPÖ misstrauen sich wechselseitig. Und die ÖVP fürchtet, dass sie ihre Reformen nur schwer mit den Sozialdemokraten durch­setzen könnte. Allerdings droht Europa (und den USA) eine Rezession. In Zeiten der Krise könnte die alte Sozialpartnerschaft plötzlich wieder relevant werden. Begeisterungsstürme für diese Politehe würde es aber wohl weder bei der türkisen noch roten Basis geben.
 

Türkis-Grün muss sich erst solide ausgehen

 
Die präferierte Variante vieler ÖVP-Länderfunktionäre wäre wohl Türkis-Grün. Derzeit gäbe es dafür freilich nur eine zu knappe Mehrheit. Sollten die Grünen aber Richtung 15 Prozent marschieren und neben der ÖVP die klaren Wahlsieger der Nationalratswahl werden, würde der Druck auf beide Parteien steigen, diese Koalitionsform zu wählen. Leicht würde es freilich nicht, sich zu einigen: Werner Kogler bräuchte das Okay seiner Basis und damit inhaltliche Zugeständnisse von Kurz für diese Partnerschaft. 2003 scheiterten die damaligen schwarz-grünen Talks bekanntlich. Etwas, das viele in der ÖVP aber nachträglich als Fehler ansahen. Aber, wie gesagt, Türkis-Grün bräuchte eine solide Mehrheit, um überhaupt realistisch zu sein. Und wohl auch einige Überwindung bei Kurz.
 

Türkis-Grün-Neos wäre eine schwierige Premiere für das Land

 
Der Lieblingspartner des VP-Chefs, die Neos, wird wohl nicht stark genug, um als alleiniger Koalitionspartner aushelfen zu können. Eine Dreierkoalition – Türkis-Grün-Neos – wäre ein Novum für Österreich. Zudem sehen die Grünen die Pinken durchaus kritisch. Zwar sind sie sich in gesellschaftspolitischen Fragen einig, in der Wirtschafts- und Sozialpolitik liegen aber Welten zwischen diesen zwei „Kleinen“. Viele Grüne empfinden die Partei von Beate Meinl-Reisinger zudem als „neoliberal“. Allerdings würde mit ziemlicher Sicherheit das Argument auf die Grünen zurollen, dass sie dann für eine Neuauflage von Türkis-Blau verantwortlich wären. Denn, sollte es mit allen anderen Partnern in den Verhandlungen zu schwierig werden, würde sich die Türkis-Blau-Fraktion in der ÖVP wieder durchsetzen. Risiko hin oder her.
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